Ein neues Trainingszentrum auf dem Containerterminal Altenwerder in Hamburg soll Menschen auf künftige Anforderungen der digitalen Arbeitswelt vorbereiten
Von Behrend Oldenburg

Es ist der wohl härteste Job im Hamburger Hafen: Rund um die Uhr und bei jedem Wetter sorgen Lascher dafür, dass Container auf Schiffen gesichert und fixiert werden, damit sie bei Seegang nicht über Bord gehen. Die Arbeit ist körperlich höchst anstrengend. Allein eine der Laschstangen, mit denen die Boxen gegen Verrutschen untereinander und mit speziellen Vorrichtungen an Deck verzurrt werden, wiegt rund 15 Kilogramm. Rund 150 von ihnen werden pro Schicht und Lascher bewegt, und es muss schnell gehen. Zudem liegt der Arbeitsplatz in bis zu 50 Metern Höhe – und wird auch in Zukunft kaum von Computern und Robotern zu erledigen sein.
Szenenwechsel: Ein Büroraum im vierten Stock der Zentrale des Containerterminals Altenwerder (CTA) der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Hier trainiert Immanuel Konschak die Fernsteuerung einer Containerbrücke an einem Simulator. Er sitzt dazu hoch konzentriert vor mehreren Bildschirmen und dirigiert mit dem Joystick einen Container zentimetergenau an seinen Bestimmungsort an Bord eines großen Boxcarriers. Ganz ungewohnt ist diese Tätigkeit für ihn nicht: „Die Blocklagerkräne auf dem CTA steuere ich schon seit 2010 aus dem Büro.“
Wenn Konschak sich zur Seite dreht, kann er durchs Fenster drei neue Containerbrücken sehen, die gerade aufgebaut werden – und sich auf den ersten Blick nicht von den vielen anderen blau-roten Kränen im Hafen unterscheiden. Doch sie haben keine Kanzel mehr, aus denen Brückenfahrer wie Konschak die Blechkisten in nach vorn gebückter Haltung im Auge behalten, laden oder löschen.
Auch diese Arbeit ist anstrengend, nach rund vier Stunden erfolgt daher die Ablösung. Künftig kann die Steuerung der Containerbrücke aus einem der Büros auf dem CTA erledigt werden – und zwar von einem ergonomischen Arbeitsplatz aus. Konschak wird dazu in einigen Monaten nur einige Meter weiter von seinem Trainingssimulator zur „echten“ Steuerkonsole hinüberwechseln. Dann sieht er statt der am Rechner erzeugten virtuellen Realität Kamerabilder, die live auf den Brücken aufgenommen werden. „Die Sitzhaltung ist eine ganz andere, der Körper wird sich darüber freuen“, sagt Konschak.
Die Inbetriebnahme der drei neuen Kräne soll schrittweise im Laufe des Jahres erfolgen – aus dem vermeintlichen Computerspiel wird dann Realität. Die älteren Brücken werden zunächst weiterhin „bemannt“ in Betrieb bleiben.
Das neue Ma-Co digitale Trainingscentrum wurde am CTA im Rahmen des Projekts PortSkill 4.0 Ende vergangenen Jahres vorgestellt. Es ist speziell auf die Anforderungen der digitalisierten Hafenarbeit ausgerichtet. Durch die „Kombination aus modernster Technik, vernetztem Lernen und der Analyse künftiger Jobanforderungen soll das Trainingszentrum eine zukunftsorientierte Plattform zur Qualifizierung für die zukünftige Hafenarbeit bilden“, heißt es von den Betreibern. Verbundkoordinator ist die Bildungseinrichtung Ma-Co maritimes Competenzcentrum mit Hauptsitz in Hamburg. Mit an Bord sind neben der HHLA auch die Bremer BLG Logistics Group, das Hamburger Digitalunternehmen Patient Zero Games, die Gewerkschaft Verdi als Sozialpartner und der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS). Das Projektvolumen beträgt 3,2 Millionen Euro. Der Simulator selbst wiederum gehört zu einem weiteren Projekt der HHLA mit Ma-Co (DigiRemote 2030) zur Fernsteuer-Ausbildung der Containerbrückenfahrer.
Zurück an den Simulator: „Wenn man nur auf den Bildschirm schaut, verliert man allerdings etwas das Reale. Das könnte eine Herausforderung werden“, erwartet Konschak. „Denn wenn ich mit dem Container irgendwo anecke, dann merke ich das oben auf der Containerbrücke sofort. Das rappelt und ruckelt. Das werde ich am Fernsteuerstand künftig nicht mehr in dieser Art mitbekommen.“ Dennoch freut sich der Hafenarbeiter auf seinen neuen Arbeitsplatz: „Das Fernsteuern macht mir Spaß – und ist viel ergonomischer.“ Etwas wird dem Brückenfahrer allerdings fehlen: „Die Aussicht von oben über den Hafen ist immer wieder schön, die habe ich im Simulator nicht.“
Den Laschern an Bord dagegen bleibt dieser Blick auch künftig erhalten, zumindest von den oberen Containerlagen aus. Wenn sie denn überhaupt Zeit dafür haben. ■
Behrend Oldenburg ist freier Fachjournalist mit Sitz in Hamburg.

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Millionen TEU – die Frachteinheit TEU bezeichnet die Größe eines 20-Fuß-Containers – hat die HHLA im vergangenen Jahr an ihren Hamburger Containerterminals umgeschlagen.