Brut­kas­ten für das neue Super­food

Ten­ebrio molitor ist ein Pro­te­in­lie­fe­rant ers­ter Güte. Doch damit aus den Lar­ven des Mehl­kä­fers hoch­wer­ti­ges Tier­fut­ter wer­den kann, braucht es einen indus­tri­el­len Pro­zess in spe­zi­el­ler Atmo­sphä­re. Der Immo­bi­li­en­ent­wick­ler GSE hat für das fran­zö­si­sche Start-up Ynsect die not­wen­di­ge Umge­bung mit­hil­fe einer außer­ge­wöhn­li­chen Logis­tik­im­mo­bi­lie geschaf­fen.

Eine Logis­tik­hal­le als schnel­ler Brü­ter. 3500 m² groß, 15 m hoch und stel­len­wei­se sehr, sehr warm. Das Gebäu­de in Dole, nahe Paris, ist ein Pilot­pro­jekt für ein neu­es, indus­tri­el­les Ver­fah­ren, Pro­te­in aus Tier­lar­ven zu gewin­nen. Ent­wi­ckelt von dem fran­zö­si­schen Start up Ynsect, das vor weni­gen Wochen eine drit­te Finan­zie­rungs­run­de über 316 Mio. EUR abge­schlos­sen hat. Mit der Inno­va­ti­on soll es einen wert­vol­len Bei­trag leis­ten, den welt­weit wach­sen­den Bedarf an Pro­te­inen zu stil­len.

Vom Fisch­fut­ter zum Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel

Pro­te­ine wer­den benö­tigt, um nähr­stoff­rei­ches Tier­fut­ter her­zu­stel­len, das nicht nur an Hun­de und Kat­zen ver­füt­tert wird. Auch in der Auf­zucht von Rin­dern, Schwei­nen und Geflü­gel sowie in der Aqua­kul­tur kommt pro­te­in­hal­ti­ge Nah­rung zum Ein­satz. Auf 150 Mrd. USD schätzt Ynsect-Mit­grün­der und CEO Antoine Hubert den Markt für Tier­nah­rung. Hier will das French-Tech-Unter­neh­men in Zukunft eine füh­ren­de Rol­le ein­neh­men. Nach Anga­ben von Ynsect senkt die durch 30 Paten­te geschütz­te Tech­no­lo­gie die Sterb­lich­keit von Gar­ne­len um 40 Pro­zent und von Wolfs­barsch um 25 Pro­zent; als Dün­ge­mit­tel ein­ge­setzt, stei­ge­re das Ver­fah­ren den Rap­ser­trag um 25 Pro­zent. Im Blick haben die Fran­zo­sen zudem den Markt für Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel – und das mit Rücken­wind aus Brüs­sel: Seit 2018 gilt in der EU die „Novel-Food-Ver­ord­nung“. Danach sind ess­ba­re Insek­ten als neu­ar­ti­ge Lebens­mit­tel auf­zu­fas­sen. Wird aus Mehl­wür­mern in Zukunft also Super­food?

Raum für inno­va­ti­ve Tech­no­lo­gien

Den Raum für die­se Form der Pro­te­in­ge­win­nung hat die Gold­beck-Toch­ter GSE geschaf­fen. Das Unter­neh­men ist dar­auf spe­zia­li­siert, Indus­trie- und Logis­tik­im­mo­bi­li­en zu kon­zi­pie­ren, die auf spe­zi­el­le Markt- und Nut­zer­an­for­de­run­gen zuge­schnit­ten sind. „Design & build“, nen­nen Immo­bi­li­en­ex­per­ten das Prin­zip. „Wir hat­ten nur sechs Mona­te Zeit, eine Immo­bi­lie zu ent­wi­ckeln, die indus­tri­el­le und logis­ti­sche Pro­zes­se unter hoch­spe­zi­el­len Bedin­gun­gen zusam­men­führt“, sagt Dany Brod­hag, Geschäfts­füh­rer von GSE Deutsch­land. Der Bau in der Nähe von Paris ist Vor­bild für Insek­ten­far­men, die Ynsect in allen Tei­len der Welt errich­tet. Der neus­te ist ein 60.000 m² gro­ßer Farm­stand­ort in Ami­ens. „Unser Ziel ist es, die Nah­rungs­mit­tel­ket­te zu revo­lu­tio­nie­ren, sagt CEO Hubert. An die­se Mis­si­on glau­ben neben gro­ßen Fonds und Ven­ture-Capi­tal-Unter­neh­men auch pro­mi­nen­te Inves­to­ren wie Hol­ly­wood-Schau­spie­ler Robert Dow­ney Jr., die sich an dem Start-up betei­ligt haben.

Robo­tik regiert die Farm

Die Anfor­de­run­gen an den Bau, der ein Brut­kas­ten für den Ten­ebrio molitor ist, sind hoch. Unter­schied­li­che Tem­pe­ra­tur­zo­nen, Regu­lie­rung der Luft­feuch­tig­keit, Frisch- und Abluft­steue­rung: Ent­wi­ckelt hat GSE eine Logis­tik­im­mo­bi­lie, die idea­le Bedin­gun­gen für eine Insek­ten­farm schafft, in der alle not­wen­di­gen Pro­zes­se von der Ein­la­ge­rung der Eier über die Zucht bis zur Abfül­lung des pro­te­in­hal­ti­gen Mehls auto­ma­ti­siert. In die­ser Farm regiert Robo­tik. Regal­be­dien­ge­rä­te picken Brut­käs­ten mit Lar­ven aus 13m Höhe wie aus einem auto­ma­ti­sier­ten Klein­tei­le­la­ger, um sie dann der nächs­ten Ver­ar­bei­tungs­stu­fe zuzu­füh­ren. Um die dicke Luft, die in der Brut­kas­ten­at­mo­sphä­re des Gebäu­des herrscht, aus­tau­schen zu kön­nen, kam der Ent­wick­lung der Luft­auf­be­rei­tungs­an­la­gen beson­de­re Bedeu­tung zu. „Die Lüf­tung, die wir mit extrem leis­tungs­fä­hi­gen Fil­tern aus­ge­stat­tet haben, gleicht den Trieb­werks­tur­bi­nen eines Jum­bo­jets“, zieht GSE-Deutsch­land-Chef Brod­hag einen Ver­gleich. Auch ande­re Nah­rungs­mit­tel­her­stel­ler haben bereits bei GSE ange­klopft, dar­un­ter ein Schwei­zer Unter­neh­men, das mit­hil­fe von Extru­si­on Pre­mi­um-Heim­tier­nah­rung her­stellt. Wie bei Ynsect geht es auch hier dar­um, die pro­zess­tech­ni­schen wie logis­ti­schen Vor­aus­set­zun­gen zu schaf­fen, um alle Ver­ar­bei­tungs­schrit­te vom Roh­stoff über die Her­stel­lung bis zum Ver­sand an einem Stand­ort zu bündeln.(sl)

Von Rein­hard Pfeif­fer