Fami­li­en­mensch auf dem Bock

Die Selbst­stän­dig­keit auf­zu­ge­ben war für Micha­el Fischer einer der schöns­ten Momen­te. Umso glück­li­cher ist er in sei­nem jet­zi­gen Job als LKW-Fah­rer für die Tön­nies-Logis­tik­toch­ter Tevex.
Von Dési­ree Schnei­der

Es ist 7 Uhr mor­gens, doch Micha­el Fischer blickt putz­mun­ter in die Kame­ra des Bespre­chungs­raums, fer­tig für das Zoom-Inter­view. Er hat genau eine Stun­de Zeit, bevor er auf­bo­cken muss, um Ware an einen Kun­den aus­zu­lie­fern, und er beginnt sei­ne Geschich­te zu erzäh­len: „Ich habe mich nach dem Mau­er­fall 1989 selbst­stän­dig gemacht“, sagt Fischer. Am Anfang habe er Geträn­ke nach Ost­deutsch­land gelie­fert, größ­ten­teils an die dama­li­gen Kaser­nen. In den 90er Jah­ren kamen dann noch Lebens­mit­tel hin­zu. Doch nach über 20 Jah­ren Selbst­stän­dig­keit hat er 2011 sei­nen Lie­fer­ser­vice auf­ge­löst und ver­kauft. „Das war mir dann zu anstren­gend“, sagt der 54-Jäh­ri­ge. Sei­ne Selbst­stän­dig­keit zu ver­kau­fen, beschreibt der gestan­de­ne LKW-Fah­rer als „gro­ße Erleich­te­rung“ und viel­leicht sogar als einen der bes­ten Momen­te sei­nes Lebens. Er woll­te sich neu ori­en­tie­ren und hat nach einer Fahr­stel­le gesucht, nach etwas „sta­bi­lem, wo er nie­man­den unter sich hat“. Nach zwei kür­ze­ren Jobs, die ihm nicht zuge­sagt haben, hat Fischer sich schließ­lich 2013 bei der Tön­nies-Logis­tik­toch­ter Tevex im ost­west­fä­li­schen Rhe­da-Wie­den­brück wie­der­ge­fun­den.

Seit­dem arbei­tet er dort als Berufs­kraft­fah­rer am Haupt­sitz des Logis­tik­dienst­leis­ters. „Die Fir­ma hat einen gro­ßen und guten Fuhr­park“, bekräf­tigt Fischer sei­ne Wahl. LKW hat Fischer schon immer gern gefah­ren – auch als er sein eige­ner Chef war. „In mei­ner Selbst­stän­dig­keit konn­te ich alles Mög­li­che machen – vom Kauf­män­ni­schen bis hin zum Fah­rer“, erklärt er. „Das Fah­ren ist das, was mir am meis­ten liegt und was mir Spaß macht.“ Tevex belie­fert sowohl die wei­ter­ver­ar­bei­ten­de Fleisch­in­dus­trie als auch den Lebens­mit­tel­ein­zel­han­del – mit Eigen­mar­ken der Dis­coun­ter, eige­nen Arti­keln wie der Mar­ke Till­mans, aber auch mit Pro­duk­ten exter­ner Lebens­mit­tel­her­stel­ler. Fischers Tages­ab­lauf ist struk­tu­riert und durch­ge­tak­tet. Das weiß der Fah­rer zu schät­zen, er mag die Ord­nung und Rou­ti­ne. Fischer beginnt zwi­schen sie­ben und acht Uhr. Nach einer obli­ga­to­ri­schen Tas­se Kaf­fee über­nimmt er einen bela­de­nen Auf­lie­ger. Bevor er los­fährt, macht er eine Abfahrts­kon­trol­le, so auch im Bereich Ladungs­si­che­rung. „Wenn alles okay ist, ich auf­ge­sat­telt und getankt habe, kann es auch schon los­ge­hen.“ Sein ers­ter Halt an die­sem Mor­gen ist ein 160 km ent­fern­tes Zen­tral­la­ger eines Dis­coun­ters, wo die Ware abge­la­den wird. Fischer weiß schon wäh­rend des Gesprächs, dass das etwas län­ger dau­ern kann. Denn dies sei ein „anspruchs­vol­ler Kun­de“, bei dem er hilft, die Foli­en der Ware abzu­ma­chen. Das muss er nicht immer. Jeder Kun­de sei anders. Danach macht er noch einen Abste­cher ins nahe Hol­land, um Ware von exter­nen Kun­den abzu­ho­len. Nach unge­fähr neun Stun­den und 400 km will er wie­der in Rhe­da-Wie­den­brück sein, wo er absat­telt, tankt und abschlie­ßend sei­nen LKW wäscht.

War­ten, das Schlimms­te am Job

Die Tour sei fast jeden Tag iden­tisch, da er momen­tan Stamm­kun­den belie­fert. Nur die Abho­lun­gen wür­den vari­ie­ren. „Ich habe eine der regel­mä­ßi­ge­ren Tou­ren“, sagt der Fah­rer. „Es gibt Fah­rer, die mögen das nicht so gern und wol­len Abwechs­lung haben, doch ich mag es.“ Das ein­zi­ge, das ihn stört, ist, wenn es beim Kun­den vor Ort „nicht läuft“ – und das sei lei­der immer mal wie­der der Fall. „Man muss über­all als Fah­rer war­ten.“ Das habe sich über die Jah­re zwar schon ver­bes­sert, doch man­che Kun­den hät­ten immer wie­der Pro­ble­me. Er ver­misst die Kom­mu­ni­ka­ti­on. So „ver­trö­de­le“ er manch­mal Zeit, ohne zu wis­sen, wor­an es liegt. Wäh­rend der War­te­zeit erle­digt er meis­tens Auf­ga­ben, die ihm aus der Rol­le als „Mas­ter Dri­ver“ bei Tevex zukom­men. Als erfah­re­ner Fah­rer unter­stützt und betreut er den Nach­wuchs, beant­wor­tet Fra­gen, prüft Doku­men­te und tele­fo­niert. Er weiß, wie chao­tisch es für Neu­lin­ge zu Beginn sein kann: „Die Anfor­de­run­gen hier sind sehr hoch. Es gibt viel Papier­kram zu erle­di­gen, und man muss gut geschult sein“, sagt Fischer. Sei­ne eige­nen Anfän­ge waren nicht die ein­fachs­ten. Er erin­nert sich noch, wie über­for­dert er zuerst mit Fracht­lis­ten, Trans­port­auf­trä­gen und den sehr indi­vi­du­el­len Abläu­fen bei ein­zel­nen Kun­den war. Gera­de die Retou­ren sei­en sehr spe­zi­ell. „Ich habe mal eine Retou­re ent­ge­gen­ge­nom­men und wuss­te nicht, dass ich sie vor­her in Rhe­da anmel­den muss.“ Mit dem Umgang mit aus Tie­ren ver­ar­bei­te­ten Lebens­mit­teln hat Fischer kei­ne Pro­ble­me: „Ich fah­re letz­ten Endes Pro­duk­te, die ich auch im Super­markt gern kau­fe.“ Doch auch als er noch geschlach­te­te Tie­re trans­por­tiert hat, die noch nicht ver­ar­bei­tet waren, hat es ihm nichts aus­ge­macht. „Man muss ein­fach die pas­sen­de Ein­stel­lung für den Job haben“, erklärt er. Man müs­se sei­nen Job neh­men und den Spaß ent­wi­ckeln, dazu ste­hen und loy­al sein. Er ist wegen der Coro­na-Pan­de­mie in die­sem Jahr gegen­über sei­nem Job vie­len Vor­ur­tei­len begeg­net. „Wenn man mit einem gro­ßen Tön­nies-LKW durch die Gegend fährt, da gucken die Leu­te schon“, berich­tet er. Doch das habe sich schon längst wie­der gelegt.

Foto: Wer­be­stu­dio Zeid­ler

Fami­lie ist alles

Fischer zieht die Con­ve­ni­ence-Fahr­ten jedoch den Frisch­fleisch­trans­por­ten vor. Grund dafür ist ihre gute Plan­bar­keit. Es sei­en in der Regel nur Ein- und kei­ne Zwei­ta­ges­tou­ren, wie es bei den Frisch­fleisch­trans­por­ten schon vor­kom­men kann. So kann er die Aben­de mit sei­ner Fami­lie ver­brin­gen. „Ich bin ein abso­lu­ter Fami­li­en­mensch. Sie ist mein Leben“, sagt Fischer. Er ist seit 1994 ver­hei­ra­tet, hat zwei Kin­der und einen Hund. Sams­tags und sonn­tags arbei­te er grund­sätz­lich nicht – obwohl genug Arbeit da wäre –, um bei sei­ner Fami­lie zu sein, eine Run­de zu kegeln, spa­zie­ren zu gehen oder zu wal­ken. Ein­mal im Jahr fährt die gesam­te Fami­lie „mit Anhang“ – ins­ge­samt 16 Per­so­nen – in den Cen­ter Park in die Nie­der­lan­de. Die­ses Jahr hat Coro­na ihnen einen Strich durch die Rech­nung gemacht. Auch nach Mal­lor­ca konn­te Fischer des­we­gen nicht. Der Mal­lor­ca-Urlaub ist ein wei­te­res Ritu­al des Kraft­fah­rers. „Das ist eine Män­ner­tour“, erklärt er. „Die mache ich alle zwei Jah­re mit mei­nen Freun­den, seit über 30 Jah­ren.“ Dadurch hät­te er gut mit­ver­fol­gen kön­nen, wie die Insel sich ver­än­dert hat. Es sei viel gebaut wor­den und sein Urlaub sei inzwi­schen etwas „ruhi­ger“ als frü­her. Dafür hat­te er jedoch die­ses Jahr mehr Zeit, sei­nen neu­en Weber-Gene­sis-Gas­grill aus­zu­pro­bie­ren. Was kommt drauf? „Das kon­ser­va­ti­ve Würst­chen und auch Mal ein Steak.“ Doch auch Hähn­chen und Piz­za wür­den damit gut schme­cken, sei­en aber zu auf­wen­dig für den All­tag. Mit Abstand am liebs­ten brut­zelt der 54-Jäh­ri­ge jedoch die Tön­nies-Som­mer­würst­chen – loy­al wie er ist.