Die Logis­tik bie­tet Aus­bil­dungs­chan­cen – trotz Coro­na

Einen Aus­bil­dungs­platz zu ergat­tern wird auch im zwei­ten Pan­de­mie­jahr nicht leicht. Anders sieht es zum Glück in der Logis­tik aus. Im dritt­größ­ten Wirt­schafts­be­reich Deutsch­lands wer­den mehr und mehr Aus­bil­dungs­ver­trä­ge geschlos­sen.

Von Den­nis Kal­de und Tim-Oli­ver Fri­sche

Nun haben wir es schrift­lich: Die Zahl neu abge­schlos­se­ner Aus­bil­dungs­ver­trä­ge ist 2020 wegen der Coro­na-Kri­se in noch nicht da gewe­se­nem Aus­maß ein­ge­bro­chen. Sie ging um 9,4 Pro­zent auf rund 465.200 zurück. Das teilt das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt mit. „Die­ses Ergeb­nis zeigt damit einen deut­li­chen Effekt der Coro­na-Kri­se auf den Aus­bil­dungs­markt“, erklä­ren die Wies­ba­de­ner Sta­tis­ti­ker. „Zwar sind die Aus­bil­dungs­zah­len seit Jah­ren ten­den­zi­ell rück­läu­fig. Der aktu­el­le Ein­bruch ist in sei­ner Höhe aber bis­lang ein­zig­ar­tig,“ las­sen sich die Sta­tis­ti­ker wei­ter im Nach­rich­ten-Ticker der ZDF heu­te-App zitie­ren. Und: Trotz der im März gestar­te­ten Aus­bil­dungs­of­fen­si­ve der Bun­des­re­gie­rung, die wirt­schaft­li­che Anrei­ze für die Aus­bil­dungs­be­trie­be schafft, kön­nen nach wie vor vie­le Arbeit­ge­ber kei­ne neu­en Azu­bis ein­stel­len. Damit feh­len jun­gen Men­schen Aus­bil­dungs- und Kar­rie­re­per­spek­ti­ven.

Bei­spiel Logis­tik: In die­ser Bran­che sieht es für Azu­bis zum Glück bes­ser aus. Sie übt als dritt­größ­ter Wirt­schafts­be­reich Deutsch­lands nicht nur eine sys­tem­re­le­van­te Ver­sor­gungs­funk­ti­on für Han­del, Pro­duk­ti­on und Bevöl­ke­rung aus. Sie ist auch bun­des­weit einer der wich­tigs­ten Beschäf­ti­gungs­ge­ber. Das Fata­le ist: Vie­le jun­ge Men­schen haben die Logis­tik als Arbeit­ge­ber nicht auf ihrem Schirm. Zur Ver­deut­li­chung: Nach Schät­zun­gen der „Logis­tik­wei­sen“ arbei­ten mehr als drei Mil­lio­nen Beschäf­tig­te in rund 80.000 über­wie­gend mit­tel­stän­disch gepräg­ten Unter­neh­men. Laut Unter­su­chun­gen der Fraun­ho­fer-Arbeits­grup­pe für Sup­p­ly-Chain-Ser­vices (SCS) von 2018 belief sich das Beschäf­ti­gungs­wachs­tum allein in den ver­gan­ge­nen zehn Jah­ren auf mehr als 24 Pro­zent – Ten­denz stei­gend dank E‑Commerce & Co.

Coro­na: Her­aus­for­de­run­gen für den Aus­bil­dungs­markt

Vie­le jun­ge Men­schen ste­hen nach ihrem Schul­ab­schluss vor der Her­aus­for­de­rung, wie es wei­ter­ge­hen soll. Die Fra­ge nach Job- und Kar­rie­re­mög­lich­kei­ten ist selbst nach inten­si­ven Gesprä­chen mit Eltern, Freun­den sowie Leh­rer­kräf­ten alles ande­re als leicht zu beant­wor­ten. Die aktu­el­le Pan­de­mie und ihre Aus­wir­kun­gen auf Gesell­schaft, Poli­tik und Wirt­schaft erschwe­ren die beruf­li­chen Per­spek­ti­ven und Chan­cen zusätz­lich. Dies gilt auch und vor allem für den Lehr­stel­len­markt, der zum Herbst 2021 einen weit­aus grö­ße­ren Ein­bruch als 2020 ver­zeich­nen soll. Nach aktu­el­ler Pro­gno­se des Ber­li­ner For­schungs­in­sti­tuts für Bil­dungs- und Sozi­al­öko­no­mie (Fibs) wird die Zahl der neu­en Aus­bil­dungs­ver­trä­ge im Jahr 2021 auf etwa 400.000 fal­len. Im Ver­gleich zu 2020 wäre dies ein Rück­gang von 65.200 Aus­bil­dungs­plät­zen. Erschwe­rend hin­zu kommt in die­sem Zusam­men­hang noch eine aktu­el­le Unter­su­chung des Insti­tuts für Arbeits­markt- und Berufs­for­schung (IAB). Dem­nach will jeder zehn­te der aus­bil­dungs­be­rech­tig­ten Betrie­be im kom­men­den Aus­bil­dungs­jahr 2021 weni­ger Lehr­stel­len anbie­ten oder sogar ganz auf die Aus­bil­dung jun­ger Men­schen ver­zich­ten.

Foto: IStock
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Logis­tik legt bei Aus­bil­dungs­ver­trä­gen zu

Soweit darf es nicht kom­men. Im span­nen­den Wirt­schafts­be­reich der Logis­tik neh­men etwa die Aus­bil­dungs­ver­trä­ge beacht­lich zu — trotz Coro­na-Pan­de­mie. Aus der Aus­bil­dungs­sta­tis­tik des Deut­schen Indus­trie- und Han­dels­kam­mer­ta­ges (DIHK) von 2019 geht her­vor, dass in allen wich­ti­gen Berufs­fel­dern die­ses Wirt­schafts­be­reichs die Zahl der neu abge­schlos­se­nen Aus­bil­dungs­ver­trä­ge spür­bar nach oben geht. Zudem teilt die Bun­des­agen­tur für Arbeit mit, dass allein die Fach­kraft für Lager­lo­gis­tik – nur einer von vie­len Aus­bil­dungs­be­ru­fen inner­halb des Wirt­schafts­be­reichs – Ende Sep­tem­ber 2020 „zu den Top Fünf der ange­bo­te­nen Aus­bil­dungs­be­ru­fe“ zähl­te.

Auch und gera­de jun­ge Frau­en erken­nen mehr und mehr die Chan­cen, die die Logis­tik bie­tet. Laut der DIHK-Aus­wer­tung betrug der Anteil weib­li­cher Azu­bis im Aus­bil­dungs­jahr­gang Kauf­leu­te für Spe­di­ti­on und Logis­tik­dienst­leis­tung 2018 knapp 40 Pro­zent.

Logis­tik macht Freu­de auf Ver­ant­wor­tung

Bei­spiel Nadi­ne Rett­berg: Der 21-Jäh­ri­gen macht ihre Arbeit als Azu­bi bei der Zufall Logi­stics Group viel Spaß. In ihrer Aus­bil­dung als Kauf­frau für Spe­di­ti­on und Logis­tik­dienst­leis­tung bekommt sie Ein­blick in vie­le unter­schied­li­che Bran­chen und deren Anfor­de­run­gen an Trans­port und Logis­tik. „Ich habe mir vor­her nie Gedan­ken dar­um gemacht, wie viel­fäl­tig Logis­tik eigent­lich ist“, berich­tet Nadi­ne. „Die Arbeit ist sehr abwechs­lungs­reich und genau das macht mir dar­an so viel Freu­de. Und ich fin­de es groß­ar­tig, dass man mir als Aus­zu­bil­den­der schon so viel zutraut und ich Ver­ant­wor­tung für gewis­se Berei­che über­neh­men darf.“

Bei­spiel Phil­ipp Doll. Der Pro­jekt­lo­gis­ti­ker bei der LTG Trans­port­ge­sell­schaft bestä­tigt, dass es mit einer Aus­bil­dung in der Logis­tik steil nach oben gehen kann. Nach sei­nem Abitur hat der heu­te 31-Jäh­ri­ge eine Aus­bil­dung zum Spe­di­ti­ons- und Logis­tik­kauf­mann in einer gro­ßen Spe­di­ti­on gemacht. Danach setz­te er mit einem erfolg­rei­chen Bache­lor­stu­di­um im Bereich Logis­tik und Han­del noch einen drauf und stieg in der Pro­jekt­lo­gis­tik beim fami­li­en­ei­ge­nen Unter­neh­men ein. Seit­her ist die­ses The­men­feld zu sei­nem Ste­cken­pferd gewor­den. Dabei kon­zen­triert er sich auf die Fra­ge, wie sich Men­schen, Pro­duk­te und Pro­zes­se so ver­ein­ba­ren las­sen, dass die mit dem Kun­den ver­ein­bar­ten Zie­le erreicht wer­den.

Cha­peau! „Jedes Pro­jekt hat sei­ne ganz eige­nen Anfor­de­run­gen“, sagt Phil­ipp. „Ein­mal heißt es, Fähr­ver­bin­dun­gen buchen, beim nächs­ten Pro­jekt ste­hen dann Pro­duk­ti­ons­pla­nun­gen und die Sicher­stel­lung der Ver­sor­gungs­ket­te im Vor­der­grund.“ Und eines steht für Phil­ipp fest: „In der Logis­tik bekommt man einen bran­chen­über­grei­fen­den Ein­blick in die Wirt­schaft. Das macht das Geschäfts­feld so span­nend. An einem Tag geht es um Tex­ti­li­en, am nächs­ten um Trak­to­ren, dann viel­leicht um Druckerzeug­nis­se oder gan­ze Road­show-Kon­zep­te.“

Bedeu­tung der Logis­tik nimmt zu

Der Bedarf nach Nach­wuchs­kräf­ten in der Logis­tik ist hoch. Er dürf­te auch in Zukunft wei­ter stei­gen, weil die Bedeu­tung der Logis­tik zunimmt. Haupt­grund dafür ist der Online­han­del, der zu einem immer stär­ker wach­sen­den Wirt­schafts­seg­ment gewor­den ist. Die­ser Boom hängt wesent­lich von der zuver­läs­si­gen logis­ti­schen Abwick­lung und Lie­fe­rung der bestell­ten Waren ab. Dabei braucht es nicht nur die rich­ti­gen Köp­fe für anspruchs­vol­le Manage­ment-Auf­ga­ben. Zupa­cken­de Beschäf­tig­te sind min­des­tens eben­so wich­tig und gefragt. Gera­de sie müs­sen im wei­te­ren Ver­lauf ihrer Lehr­zeit gezielt durch Aus­bil­dungs­pro­gram­me geför­dert wer­den, damit auf allen Hier­ar­chie­stu­fen Kar­rie­re­chan­cen mög­lich blei­ben. Denn Ach­tung: Neben Bad­man und Bad­wo­man braucht es immer auch eine/n Robin: Also: Wer­de Dein eige­ner Logis­tik­held!

Den­nis Kal­de ist Juni­or-Bera­ter bei der Agen­tur team­tos­se