Logistikimmobilien haben in den letzten Jahren eine erstaunliche Karriere gemacht: von einer wenig bekannten Kapitalanlage zu einer eigenen Assetklasse mit hohem Potenzial für Investoren. Insbesondere E‑Commerce und niedrige Zinsen haben den Boom entfacht. Dieses Wachstum kommt in eine neue Phase: Die entwickelten Objekte verändern sich deutlich. Der Treiber dafür kann auf einen Begriff reduziert werden: Knappheit. Sie manifestiert sich in mehreren Bereichen und wird Logistikimmobilien nicht nur aktuell, sondern auch langfristig prägen.
von Prof. Christian Kille
1. Flächenknappheit
Es fehlt an Flächen – insbesondere für Logistikimmobilien in ihrer bisherigen Konzeption. Nicht selten werden mehrere zehntausend Quadratmeter benötigt, um dem künftigen Nutzerunternehmen ausreichend Platz für die geplanten logistischen Aktivitäten bereitzustellen. Diese Ausdehnung wird immer herausfordernder. Nicht nur in den Hotspots wird es eng. Auch in den sogenannten B‑Lagen erweisen sich größere Flächen als immer rarer gesät. Alternativen sind zu suchen. Es werden bereits vermehrt mehrstöckige Logistikhallen entwickelt, die insbesondere für Kleinkommissionierungen im E‑Commerce genutzt werden. ▶Aufgrund der weiteren Restriktionen bei Neuversiegelungen wird der Anteil mehrgeschossiger Logistikimmobilien am Markt wachsen und auch für klassische Logistik- Operationen mit einer Deckenhöhe von zwölf Metern relevanter – auch wenn die Kosten deutlich steigen werden. Nun bedeuten diese Bauten mit ihrer größeren Gebäudehöhe zwar eine effizientere Nutzung der Fläche, aber insbesondere in der Nähe von Wohngebieten fallen sie noch mehr auf als vorher. Bedenken seitens der kommunalen Vertreter und der Bevölkerung sind zu erwarten.
▶Die Bedeutung der Architektur, der Gestaltung des Außenbereichs und der Integration des Gebäudes in das Umfeld steigt weiter und wird zu einem Erfolgsfaktor. Weiterhin rückt die Umwidmung von Brownfields mehr und mehr in den Fokus. Bereits versiegelte Flächen werden umgenutzt. Aktuell werden hierbei die bestehenden Immobilien meist abgerissen und auf den entstehenden Brachflächen neue Objekte entwickelt. Ein Abriss und der daraus folgende Neubau bedeuten jedoch eine höhere Belastung des Klimas. Der CO 2 ‑Abdruck eines Neubaus ist trotz ökologischer Bauweise und Neutralisierung des Abdrucks etwa durch Zertifikate aber höher als im Fall einer Modernisierung der Bestandsimmobilie. ▶Die Sanierung und Modernisierung des Bestands mit den damit zusammenhängenden Herausforderungen für das Nutzerunternehmen erhält mehr Aufmerksamkeit. So sinnvoll die bisher genannten Entwicklungen sind, so bekannt sind sie auch. Was noch weniger im Fokus steht, ist die Nutzung bereits versiegelter Flächen in Form einer Überbauung. Im Zuge einer Projektarbeit mit Panattoni hatte eine Studierendengruppe des Schwerpunkts Logistik im Studiengang Bachelor Betriebswirtschaft an der THWS die Idee, dass beispielsweise über Parkplätzen an Autobahnen Logistikflächen entwickelt werden können. Die Fläche wird benötigt, liegt an Orten mit erhöhtem Verkehrsaufkommen und hat eine ideale Verkehrsanbindung. Heute ist dies jedoch aus zahlreichen Gründen, insbesondere den Kosten, noch nicht praktisch umsetzbar. ▶Langfristig wird gezwungenermaßen darüber nachgedacht werden müssen, dass eine Überbauung von anderweitig genutzten Flächen insbesondere in Autobahnnähe in die Entscheidung über die Neuentwicklung von Logistikimmobilien einbezogen wird.
2. Fachkräfteknappheit
Eine weitere drängende Herausforderung stellt der Fachkräftemangel dar. Nicht nur beim Fahrpersonal ist dies der Fall, sondern auch bei operativen und administrativen Beschäftigten an Lagerstandorten. Der Grund liegt nicht nur im demografischen Wandel, sondern wie in vielen Fällen am Arbeitsplatz selbst. Die Logistikimmobilie von morgen wird das Personal stärker in den Mittelpunkt stellen müssen. Das Zauberwort „Wertschätzung“ umschreibt nur blumig, dass fast jeder Arbeitsplatz attraktiver gestaltet werden muss und hierfür die Bedürfnisse der Beschäftigten zu erkennen und umzusetzen sind. Dabei geht es nicht darum, ein Wunderland mit Sofalandschaften zu kreieren, sondern die wichtigsten Schmerzpunkte der potenziellen und vorhandenen Beschäftigten herauszufiltern und zu vermeiden. Dies erhöht nicht nur die Attraktivität des Arbeitsplatzes, sondern reduziert potenziell auch den Krankenstand und steigert so die Produktivität im Betrieb.
▶Eine Logistikimmobilie wird nicht mehr nur rational um den optimalen Logistikprozess herumentwickelt, sondern beschäftigtenzentriert zu einem Wunscharbeitsplatz für die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger von morgen. Eine weitere vielversprechende Entwicklung bildet die Automatisierung von Prozessen. Mit dem Fachkräftemangel und damit wachsenden Personalkosten lohnen sich manche Investitionen in Technologien. Zusätzlich ermöglichen es die Innovationen in der Lagertechnik, den Vorteil der Flexibilität von menschlicher Arbeitskraft auszugleichen. Der Einsatz von mobilen Robotern im bestehenden Lagerumfeld oder die Nutzung von Flex Förderern löst die starren Strukturen und damit eine kleinere potenzielle Nutzergruppe der traditionellen Hochregallager und Lagerautomatisierungen auf. ▶Mit den künftigen technologischen Entwicklungen in der Flexibilisierung steigt der Anteil der automatisierten Prozesse im Lager und begegnet damit der Herausforderung des Fachkräftemangels.
3. Energieknappheit
In der Nebenkostenrechnung nahm die Energie bereits vor dem Ukraine-Krieg fast 50 Prozent ein. Mit der zunehmenden (und auch notwendigen) Automatisierung wächst der Strombedarf deutlich. So werden nicht nur wegen der steigenden Kosten für Energie, sondern auch wegen des steigenden Bedarfs, bereits heute zahlreiche Maßnahmen zur Energieeinsparung getroffen. Es kann jedoch noch einen Schritt weitergegangen werden: So sollten die Potenziale der Logistikimmobilie für die Energiegewinnung in vollem Umfang genutzt werden. Dies kann im Idealfall dazu führen, dass die Gebäude sich als dezentrale Kraftwerke für die umliegenden Kommunen zu einer Lösung der Energiekrise entwickeln und noch dazu ein Stück Unabhängigkeit bieten können. ▶Logistikimmobilien werden damit nicht mehr nur ein Bestandteil der Verkehrsinfrastruktur sein, sondern auch ein elementarer Pfeiler der Energieversorgung, insbesondere im ländlichen Raum. In Summe wird die Logistikimmobilie attraktiver und ein Innovationstreiber der Verkehrsinfrastruktur in vielen Bereichen werden – sowie ein wichtiges Standbein der Energieversorgungsinfrastruktur.