Aus wenig mehr machen

Logis­tik­im­mo­bi­li­en haben in den letz­ten Jah­ren eine erstaun­li­che Kar­rie­re gemacht: von einer wenig bekann­ten Kapi­tal­an­la­ge zu einer eige­nen Asset­klas­se mit hohem Poten­zi­al für Inves­to­ren. Ins­be­son­de­re E‑Commerce und nied­ri­ge Zin­sen haben den Boom ent­facht. Die­ses Wachs­tum kommt in eine neue Pha­se: Die ent­wi­ckel­ten Objek­te ver­än­dern sich deut­lich. Der Trei­ber dafür kann auf einen Begriff redu­ziert wer­den: Knapp­heit. Sie mani­fes­tiert sich in meh­re­ren Berei­chen und wird Logis­tik­im­mo­bi­li­en nicht nur aktu­ell, son­dern auch lang­fris­tig prä­gen.

von Prof. Chris­ti­an Kil­le

1. Flä­chen­knapp­heit

Es fehlt an Flä­chen – ins­be­son­de­re für Logis­tik­im­mo­bi­li­en in ihrer bis­he­ri­gen Kon­zep­ti­on. Nicht sel­ten wer­den meh­re­re zehn­tau­send Qua­drat­me­ter benö­tigt, um dem künf­ti­gen Nut­zer­un­ter­neh­men aus­rei­chend Platz für die geplan­ten logis­ti­schen Akti­vi­tä­ten bereit­zu­stel­len. Die­se Aus­deh­nung wird immer her­aus­for­dern­der. Nicht nur in den Hot­spots wird es eng. Auch in den soge­nann­ten B‑Lagen erwei­sen sich grö­ße­re Flä­chen als immer rarer gesät. Alter­na­ti­ven sind zu suchen. Es wer­den bereits ver­mehrt mehr­stö­cki­ge Logis­tik­hal­len ent­wi­ckelt, die ins­be­son­de­re für Klein­kom­mis­sio­nie­run­gen im E‑Commerce genutzt wer­den. ▶Auf­grund der wei­te­ren Restrik­tio­nen bei Neu­ver­sie­ge­lun­gen wird der Anteil mehr­ge­schos­si­ger Logis­tik­im­mo­bi­li­en am Markt wach­sen und auch für klas­si­sche Logis­tik- Ope­ra­tio­nen mit einer Decken­hö­he von zwölf Metern rele­van­ter – auch wenn die Kos­ten deut­lich stei­gen wer­den. Nun bedeu­ten die­se Bau­ten mit ihrer grö­ße­ren Gebäu­de­hö­he zwar eine effi­zi­en­te­re Nut­zung der Flä­che, aber ins­be­son­de­re in der Nähe von Wohn­ge­bie­ten fal­len sie noch mehr auf als vor­her. Beden­ken sei­tens der kom­mu­na­len Ver­tre­ter und der Bevöl­ke­rung sind zu erwar­ten.

Foto: Mar­cus Lindstrom/iStock

▶Die Bedeu­tung der Archi­tek­tur, der Gestal­tung des Außen­be­reichs und der Inte­gra­ti­on des Gebäu­des in das Umfeld steigt wei­ter und wird zu einem Erfolgs­fak­tor. Wei­ter­hin rückt die Umwid­mung von Brown­fields mehr und mehr in den Fokus. Bereits ver­sie­gel­te Flä­chen wer­den umge­nutzt. Aktu­ell wer­den hier­bei die bestehen­den Immo­bi­li­en meist abge­ris­sen und auf den ent­ste­hen­den Brach­flä­chen neue Objek­te ent­wi­ckelt. Ein Abriss und der dar­aus fol­gen­de Neu­bau bedeu­ten jedoch eine höhe­re Belas­tung des Kli­mas. Der CO 2 ‑Abdruck eines Neu­baus ist trotz öko­lo­gi­scher Bau­wei­se und Neu­tra­li­sie­rung des Abdrucks etwa durch Zer­ti­fi­ka­te aber höher als im Fall einer Moder­ni­sie­rung der Bestands­im­mo­bi­lie. ▶Die Sanie­rung und Moder­ni­sie­rung des Bestands mit den damit zusam­men­hän­gen­den Her­aus­for­de­run­gen für das Nut­zer­un­ter­neh­men erhält mehr Auf­merk­sam­keit. So sinn­voll die bis­her genann­ten Ent­wick­lun­gen sind, so bekannt sind sie auch. Was noch weni­ger im Fokus steht, ist die Nut­zung bereits ver­sie­gel­ter Flä­chen in Form einer Über­bau­ung. Im Zuge einer Pro­jekt­ar­beit mit Pan­at­to­ni hat­te eine Stu­die­ren­den­grup­pe des Schwer­punkts Logis­tik im Stu­di­en­gang Bache­lor Betriebs­wirt­schaft an der THWS die Idee, dass bei­spiels­wei­se über Park­plät­zen an Auto­bah­nen Logis­tik­flä­chen ent­wi­ckelt wer­den kön­nen. Die Flä­che wird benö­tigt, liegt an Orten mit erhöh­tem Ver­kehrs­auf­kom­men und hat eine idea­le Ver­kehrs­an­bin­dung. Heu­te ist dies jedoch aus zahl­rei­chen Grün­den, ins­be­son­de­re den Kos­ten, noch nicht prak­tisch umsetz­bar. ▶Lang­fris­tig wird gezwun­ge­ner­ma­ßen dar­über nach­ge­dacht wer­den müs­sen, dass eine Über­bau­ung von ander­wei­tig genutz­ten Flä­chen ins­be­son­de­re in Auto­bahn­nä­he in die Ent­schei­dung über die Neu­ent­wick­lung von Logis­tik­im­mo­bi­li­en ein­be­zo­gen wird.

2. Fach­kräf­te­knapp­heit

Eine wei­te­re drän­gen­de Her­aus­for­de­rung stellt der Fach­kräf­te­man­gel dar. Nicht nur beim Fahr­per­so­nal ist dies der Fall, son­dern auch bei ope­ra­ti­ven und admi­nis­tra­ti­ven Beschäf­tig­ten an Lager­stand­or­ten. Der Grund liegt nicht nur im demo­gra­fi­schen Wan­del, son­dern wie in vie­len Fäl­len am Arbeits­platz selbst. Die Logis­tik­im­mo­bi­lie von mor­gen wird das Per­so­nal stär­ker in den Mit­tel­punkt stel­len müs­sen. Das Zau­ber­wort „Wert­schät­zung“ umschreibt nur blu­mig, dass fast jeder Arbeits­platz attrak­ti­ver gestal­tet wer­den muss und hier­für die Bedürf­nis­se der Beschäf­tig­ten zu erken­nen und umzu­set­zen sind. Dabei geht es nicht dar­um, ein Wun­der­land mit Sofa­land­schaf­ten zu kre­ieren, son­dern die wich­tigs­ten Schmerz­punk­te der poten­zi­el­len und vor­han­de­nen Beschäf­tig­ten her­aus­zu­fil­tern und zu ver­mei­den. Dies erhöht nicht nur die Attrak­ti­vi­tät des Arbeits­plat­zes, son­dern redu­ziert poten­zi­ell auch den Kran­ken­stand und stei­gert so die Pro­duk­ti­vi­tät im Betrieb.

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▶Eine Logis­tik­im­mo­bi­lie wird nicht mehr nur ratio­nal um den opti­ma­len Logis­tik­pro­zess her­um­ent­wi­ckelt, son­dern beschäf­tig­ten­zen­triert zu einem Wunsch­ar­beits­platz für die Leis­tungs­trä­ge­rin­nen und Leis­tungs­trä­ger von mor­gen. Eine wei­te­re viel­ver­spre­chen­de Ent­wick­lung bil­det die Auto­ma­ti­sie­rung von Pro­zes­sen. Mit dem Fach­kräf­te­man­gel und damit wach­sen­den Per­so­nal­kos­ten loh­nen sich man­che Inves­ti­tio­nen in Tech­no­lo­gien. Zusätz­lich ermög­li­chen es die Inno­va­tio­nen in der Lager­tech­nik, den Vor­teil der Fle­xi­bi­li­tät von mensch­li­cher Arbeits­kraft aus­zu­glei­chen. Der Ein­satz von mobi­len Robo­tern im bestehen­den Lager­um­feld oder die Nut­zung von Flex För­de­rern löst die star­ren Struk­tu­ren und damit eine klei­ne­re poten­zi­el­le Nut­zer­grup­pe der tra­di­tio­nel­len Hoch­re­gal­la­ger und Lager­au­to­ma­ti­sie­run­gen auf. ▶Mit den künf­ti­gen tech­no­lo­gi­schen Ent­wick­lun­gen in der Fle­xi­bi­li­sie­rung steigt der Anteil der auto­ma­ti­sier­ten Pro­zes­se im Lager und begeg­net damit der Her­aus­for­de­rung des Fach­kräf­te­man­gels.

3. Ener­gie­knapp­heit

In der Neben­kos­ten­rech­nung nahm die Ener­gie bereits vor dem Ukrai­ne-Krieg fast 50 Pro­zent ein. Mit der zuneh­men­den (und auch not­wen­di­gen) Auto­ma­ti­sie­rung wächst der Strom­be­darf deut­lich. So wer­den nicht nur wegen der stei­gen­den Kos­ten für Ener­gie, son­dern auch wegen des stei­gen­den Bedarfs, bereits heu­te zahl­rei­che Maß­nah­men zur Ener­gie­ein­spa­rung getrof­fen. Es kann jedoch noch einen Schritt wei­ter­ge­gan­gen wer­den: So soll­ten die Poten­zia­le der Logis­tik­im­mo­bi­lie für die Ener­gie­ge­win­nung in vol­lem Umfang genutzt wer­den. Dies kann im Ide­al­fall dazu füh­ren, dass die Gebäu­de sich als dezen­tra­le Kraft­wer­ke für die umlie­gen­den Kom­mu­nen zu einer Lösung der Ener­gie­kri­se ent­wi­ckeln und noch dazu ein Stück Unab­hän­gig­keit bie­ten kön­nen. ▶Logis­tik­im­mo­bi­li­en wer­den damit nicht mehr nur ein Bestand­teil der Ver­kehrs­in­fra­struk­tur sein, son­dern auch ein ele­men­ta­rer Pfei­ler der Ener­gie­ver­sor­gung, ins­be­son­de­re im länd­li­chen Raum. In Sum­me wird die Logis­tik­im­mo­bi­lie attrak­ti­ver und ein Inno­va­ti­ons­trei­ber der Ver­kehrs­in­fra­struk­tur in vie­len Berei­chen wer­den – sowie ein wich­ti­ges Stand­bein der Ener­gie­ver­sor­gungs­in­fra­struk­tur.