Ein­mal um die hal­be Welt bit­te – aber spä­tes­tens bis über­mor­gen!

Spe­cial Ser­vices: Wenn die Zeit auch für eine Express-Sen­dung zu knapp ist, hel­fen manch­mal nur noch OBCs, die Fracht als Gepäck in Lini­en­ma­schi­nen zum Ziel brin­gen.

Von Lud­wig-Micha­el Cremer

Die Son­nen­bril­le hat der leicht gebräun­te jun­ge Mann in die Knopf­leis­te sei­nes wei­ßen Polo­hemds gehängt. Gedul­dig war­tet er auf dem Bre­mer Flug­ha­fen aufs Ein­che­cken. Nor­ma­ler­wei­se wür­de er als Tou­rist durch­ge­hen. Doch acht gro­ße Kar­tons, die er auf zwei Kof­fer­wa­gen zum Schal­ter bug­siert, machen klar: die­ser Mann reist nicht zum Spaß. Zumin­dest nicht nur. Es ist 16.34 Uhr am 28. Sep­tem­ber, als er ein­ge­checkt hat. Am Vor­tag wuss­te er noch nicht, dass er heu­te nach Malay­sia flie­gen wür­de.


Am 27. Sep­tem­ber klin­gelt gegen 10 Uhr das Tele­fon von Olaf-Ulrich Krau­se in Han­no­ver. Der Geschäfts­füh­rer, einer von zwei Grün­dern von Logi­li­ne, erin­nert sich fast fünf Jah­re spä­ter noch detail­liert an den Auf­trag. Am Appa­rat ist ein Stamm­kun­de, die Dru­cke­rei Pro­ce­des in Lem­wer­der bei Bre­men. Sie muss Wer­be­ban­ner nach Sepang bei Kua­la Lum­pur lie­fern. Am 2. Okto­ber star­tet dort das 16. Ren­nen der For­mel-1-Sai­son, der Gro­ße Preis von Malay­sia. Und weil die Ban­ner vor Ort noch ver­teilt und auf­ge­hängt wer­den müs­sen, wer­den sie spä­tes­tens am 29. Sep­tem­ber an der Renn­stre­cke gebraucht.


Krau­se liebt sol­che Fäl­le. „Unse­re Kun­den wol­len eine Lösung. Und sie ver­trau­en uns, dass wir nicht nur die oft extre­men Dead­lines ein­hal­ten, son­dern dass wir für sie unter den gege­be­nen Bedin­gun­gen den für das jewei­li­ge Pro­dukt bes­ten und güns­tigs­ten Weg fin­den.“ Krau­ses Team in Han­no­ver prüft, wel­che Mög­lich­kei­ten infra­ge kom­men. Ange­sichts von Ent­fer­nung, Dring­lich­keit und Grö­ße der Sen­dung sind die Alter­na­ti­ven über­schau­bar. Lässt sich der Ter­min mit Express­fracht ein­hal­ten? Geht ein Airch­ar­ter? Kann es ein On-Board-Cou­rier (OBC) schaf­fen? „Manch­mal sind es auch Sta­fet­ten aus ganz unter­schied­li­chen Trans­port­mit­teln“, erzählt Krau­se. „Wir haben schon Ersatz­tei­le per Son­der­fahrt aus Frank­reich abho­len las­sen, dann an der deut­schen Gren­ze auf einen Hub­schrau­ber gela­den und für die letz­te Mei­le noch­mals auf einen Lkw umge­la­den, weil der Heli beim Emp­fän­ger nicht lan­den durf­te.“


Für die von Pro­ce­des gedruck­ten Wer­be­ban­ner wählt das Logi­li­ne-Team eine OBC-Lösung. On-Board-Cou­riers flie­gen in der Regel als Pas­sa­gie­re von Lini­en­ma­schi­nen und che­cken das Trans­port­gut als (Über-)Gepäck ein. „Eine OBC-Lösung ist meis­tens teu­rer als der Ver­sand über einen Express­dienst, aber güns­ti­ger als das Char­tern eines Flug­zeugs. Und sie ist extrem fle­xi­bel. Aber sie müs­sen einen guten OBC fin­den, der ver­füg­bar ist und bei­spiels­wei­se auch ein gül­ti­ges Visum für das jewei­li­ge Land hat.“

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Nach Rück­spra­che mit dem Kun­den hat Krau­ses Team den OBC-Trans­port nach Kua­la Lum­pur orga­ni­siert. Um 21 Uhr ist ein Kurier gefun­den. Sei­ne Flü­ge sind gebucht, die Trans­por­te dis­po­niert. Am 28. Sep­tem­ber wird die Ware um 15.40 Uhr bei der Dru­cke­rei abge­holt und ist unter­wegs zum Flug­ha­fen. Dort über­nimmt sie der Kurier gegen 16 Uhr. Das Boar­ding für den Flug nach Ams­ter­dam star­tet um 17.57 Uhr. Um 18.20 Uhr hebt der Flie­ger in Bre­men ab.


Krau­se, heu­te 50, ist frü­her selbst als OBC geflo­gen. Nach Dubai, Cos­ta Rica, in die USA oder nach Finn­land. Das Express-Virus hat­te ihn schon früh gepackt. „Ich habe mit 14 Jah­ren neben der Schu­le ange­fan­gen, bei TNT in Han­no­ver zu job­ben. Als ich dann mei­ne mitt­le­re Rei­fe hat­te, konn­te ich ohne Bewer­bung bei TNT eine Leh­re als Spe­di­ti­ons­kauf­mann anfan­gen.“ Mit 23 Jah­ren war er einer der jüngs­ten Regio­nal­lei­ter des Express­diens­tes und gehör­te zu dem Team, dass den klei­nen, aber lukra­ti­ven Bereich Spe­cial Ser­vices mit ent­wi­ckelt hat. Krau­se sat­tel­te noch eine Aus­bil­dung zum staat­lich geprüf­ten Betriebs­wirt drauf und wech­sel­te zum damals größ­ten deut­schen Direkt­ku­rier­netz Inti­me. Mit 27 hielt ihn aber auch das nicht. Also grün­de­te er mit Frank Püs­ter 1998 Logi­li­ne. Mit sei­nem Part­ner ist er bis heu­te unter­neh­me­risch aktiv.


Um 19.10 Uhr lan­det der OBC in Ams­ter­dam, wo er umstei­gen muss. Um 20.55 Uhr beginnt das Boar­ding für den Anschluss­flug und der Kurier mel­det sich per SMS: „Alle acht Boxen ver­la­den. Habe sie am Flie­ger gese­hen.“


Zu den Stan­dards der OBC-Auf­trä­ge bei Logi­li­ne gehört, dass Kurie­re das Gepäck nor­ma­ler­wei­se nicht durch­rou­ten. „Wenn mög­lich sol­len unse­re OBCs die Sen­dung bei Zwi­schen­stopps sel­ber wie­der in Emp­fang neh­men und für den nächs­ten Flug ein­che­cken. Das kann zwar sehr stres­sig sein, aber wir ver­hin­dern so, dass eine Sen­dung am Umstiegs-Flug­ha­fen ste­hen bleibt, so wie das mit Kof­fern ja auch pas­siert.“


Als die Maschi­ne nach Kua­la Lum­pur um 21.15 Uhr in Ams­ter­dam star­tet, sind die Kar­tons mit den Ban­nern im Flug­zeug­bauch ver­staut. Der Kurier im Pas­sa­gier­deck kann jetzt ein paar Stun­den schla­fen. Erst am nächs­ten Tag um 15.10 Orts­zeit lan­det sei­ne Maschi­ne auf dem Flug­platz der malay­si­schen Haupt­stadt.


Die meis­ten Auf­trä­ge für Fir­men wie Logi­li­ne ent­ste­hen durch Mes­sen, Groß­ver­an­stal­tun­gen und die Auto­mo­bil­in­dus­trie. „Und aus all die­sen Berei­chen kamen durch Coro­na weni­ger Auf­trä­ge“, sagt Krau­se. 2019 setz­te sein Unter­neh­men 30 Mil­lio­nen Euro um. 2020 schrumpf­te der Umsatz um die Hälf­te. Die ins­ge­samt 55 Mit­ar­bei­ter an fünf Stand­or­ten in Deutsch­land hat Krau­se alle gehal­ten. „Unser Geschäft geht vor allem dann nach oben, wenn die Wirt­schaft brummt. Dann brau­chen Fir­men unse­re Lösun­gen, um Akti­ons­ge­schäf­te sau­ber abzu­wi­ckeln oder um mit den rich­ti­gen Ersatz­tei­len einen Band­still­stand zu ver­mei­den.“


50 Minu­ten nach der Lan­dung hat der Kurier die Sen­dung ver­zollt und 216 Euro Ein­fuhr­steu­ern gezahlt. Ein Schnäpp­chen auf­grund einer Son­der­re­gel für die Renn­stre­cke in Sepang, wo auch der inter­na­tio­na­le Flug­ha­fen von Kua­la Lum­pur liegt. Mit einem Groß­raum­ta­xi hat der Kurier die Ban­ner kei­ne hal­be Stun­de spä­ter im For­mel-1-Zir­kus abge­lie­fert.