Wenn der Bus das neue Motor­rad bringt

All­tags­lo­gis­tik in den men­schen­lee­ren Wei­ten Nord­schwe­dens

Von Rein­hard Ilg

Wie bringt man Waren kos­ten­güns­tig zum End­kun­den, wenn die­ser qua­si in der Pam­pa behei­ma­tet ist? Wie errei­chen Güter unter strengs­ten kli­ma­ti­schen Bedin­gun­gen auch im Win­ter zuver­läs­sig ihr Ziel? In den dicht­be­völ­ker­ten Län­dern Mit­tel­eu­ro­pas gibt es für fast alle logis­ti­schen Her­aus­for­de­run­gen im Trans­port­sek­tor schnel­le Lösun­gen und im Kri­sen­fall den­noch preis­wer­te wie zeit­na­he Alter­na­ti­ven. In Euro­pas hohem Nor­den sieht das ganz anders aus. Ins­be­son­de­re in den nörd­li­chen Regio­nen Schwe­dens, in denen die Dis­kre­panz zwi­schen rela­tiv dich­ter Besied­lung der Ost­see­küs­te mit einer aus­ge­zeich­ne­ten Infra­struk­tur und den fast men­schen­lee­ren, wald­rei­chen Wei­ten im Lan­des­in­ne­ren grö­ßer nicht sein könn­te. Die­se ist nicht nur den Gege­ben­hei­ten der Natur geschul­det: Wäh­rend Nor­we­gen aus wirt­schaft­li­chen und geo­stra­te­gi­schen Grün­den immer eine akti­ve Bevöl­ke­rungs­po­li­tik in Norr­land, Troms und Finn­mark ver­folgt hat, hat Schwe­den wei­te Tei­le des Lan­des­in­ne­ren über vie­le Jah­re ver­nach­läs­sigt. Gleich­wohl: Wer hier, in der oft end­los anmu­ten­den Flä­che, Waren zuver­läs­sig und zu ver­ant­wort­ba­ren Kos­ten zustel­len will, muss prag­ma­tisch sein.

Auch wenn Post Nord, der 2009 ent­stan­de­ne, fusio­nier­te Nach­fol­ge­kon­zern der natio­na­len Post­un­ter­neh­men Däne­marks und Schwe­dens, eben­falls in die Flä­che geht, hat sich die tra­di­tio­nell star­ke Lini­en­bus­bran­che Schwe­dens einen Teil des Waren­ver­kehrs gesi­chert. Unter dem Label Buss­gods trans­por­tie­ren über­all in Norr­land kom­bi­nier­te Über­land­bus­se und rei­ne Fracht­bus­se nach Fahr­plan in die Peri­phe­rie das, was in einen Bus passt: von der klei­nen Schwe­den-Box bis zu sechs Palet­ten umfas­sen­den Lie­fe­run­gen. Zu den stan­dard­mä­ßig ange­bo­te­nen Fracht­leis­tun­gen zäh­len bei­spiels­wei­se der Ver­sand gan­zer Auto­rei­fen­sets, von Motor­rä­dern, Fahr­rä­dern, Gitar­ren oder Ski­aus­rüs­tung. Für rund 7 Pro­zent aller in Norr­land beför­der­ten Kol­li steht Buss­gods, wobei in vie­len Fäl­len Per­so­nen und Fracht im glei­chen Fahr­zeug beför­dert wer­den. Der gerin­ge Pro­zent­satz täuscht über die Bedeu­tung des Bus-gestütz­ten Car­go­mo­dells für End­kun­den im räum­li­chen Abseits hin­weg: Je wei­ter sich die Ver­keh­re von der Küs­te weg ins Lan­des­in­ne­re bewe­gen, des­to höher wird der Anteil am gesam­ten Fracht­vo­lu­men. Am stärks­ten ist das Unter­neh­men beim Ver­sand klei­ner und mitt­le­rer Kol­li – die inner­halb des gesam­ten Lan­des zum Fest­preis trans­por­tiert wer­den: Haben meh­re­re Güter den glei­chen Emp­fän­ger, wird ein Gesamt­preis in Rech­nung gestellt.

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Konkur­ren­ten als Part­ner

Buss­gods ist ein Logis­tik­un­ter­neh­men, Sveri­ge­frakt sein Fracht­dienst­leis­ter, der alles bewegt, was zwi­schen Trel­le­borg und dem schwe­disch-fin­nisch-nor­we­gi­schen Drei­län­der­eck beför­dert wer­den soll. Süd­lich einer Gren­ze Hudiksvall–Dalarna geschieht dies per Lkw, nörd­lich davon per Bus. Mit ihrem Leis­tungs­pa­ket ste­hen Bussgods/Sverigefrakt in direk­ter Kon­kur­renz zu den Gro­ßen der Bran­che wie DHL, UPS, Schen­ker und DSV sowie Post Nord. Der chro­nisch klam­me nor­di­sche Post­rie­se, der zwar von der Mehr­wert­steu­er befreit ist, aber unter der Zustell­pflicht lei­det, kommt auf den letz­ten Metern oft wie­der ins Spiel, denn in die ent­le­gens­ten Win­kel Norr­lands schickt Buss­gods nur ein­mal wöchent­lich ein eige­nes Fahr­zeug. Wenn es schnel­ler gehen muss, wer­den Kon­kur­ren­ten – wie manch­mal auch auf der Lang stre­cke – zu Part­nern: Gegen Auf­preis kön­nen bevor­zug­te Behand­lung (Prio) und eine direk­te Zustel­lung durch Logis­tik­part­ner eben­so zusätz­lich gebucht wer­den wie der Trans­port und die Lage­rung von ver­derb­li­chen Kühl­wa­ren. Für pri­va­te Kun­den ist das Bus­mo­dell ansons­ten mit mehr Auf­wand ver­bun­den als für Unter­neh­men: In der Regel muss pri­va­tes Trans­port­gut an einer der Annah­me­stel­len abge­ge­ben und auch abge­holt wer­den; Unter­neh­men kön­nen indi­vi­du­el­le Ver­ein­ba­run­gen über Abho­lung und Zustel­lung tref­fen.

Der Blick über die Län­der­gren­zen der Nord­ka­lot­te lässt erstaun­li­che Par­al­le­len wie auch deut­li­che Unter­schie­de erken­nen. Wäh­rend Nor­we­gen sei­ne Trans­port­leis­tun­gen im Nor­den bevor­zugt mit Flug­zeug, Hur­tig­ru­ten und Bring, dem Logis­tik­dienst­leis­ter der lan­des­ei­ge­nen Post, sicher­stellt, sind Schwe­den und Finn­land eng ver­netzt: Wie eine Dou­blet­te von Buss­gods erscheint das fin­ni­sche Part­ner-Bus­un­ter­neh­men Mat­ka­huol­to, das sei­nen Kun­den exakt das glei­che Leis­tungs­an­ge­bot macht. Der groß­flä­chi­ge Waren­trans­port zwi­schen bei­den Län­dern auf der Stra­ße statt per Bahn ist nicht zuletzt auch eine Spät­fol­ge der Anglie­de­rung des dama­li­gen Groß­fürs­ten­tums Finn­land an Russ­land im 19. Jahr­hun­dert: Am Grenz­fluss Tor­ne­älv zwi­schen dem schwe­di­schen Hapa­ran­da und dem fin­ni­schen Tor­nio erfor­dert die rus­si­sche Spur­brei­te das Umla­den von Bahn­gü­tern. Effi­zi­en­te, schnel­le Bahn­trans­por­te von Nord­nor­we­gen und Nord­schwe­den nach Finn­land und – aus glo­ba­ler Sicht betrach­tet – wei­ter Rich­tung Russ­land und Chi­na wer­den dadurch mas­siv erschwert.

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Inter­mo­dal-Hub Umeå

So hat Green Car­go, die staat­li­che schwe­di­sche Güter­bahn­ge­sell­schaft, mehr­fach Plä­ne für inter­na­tio­na­le Trans­por­te via Nord­finn­land ad acta gelegt. Das lukra­ti­ve Geschäft mit leicht ver­derb­li­chen Fisch­pro­duk­ten aus Nord­nor­we­gen bei­spiels­wei­se muss sich Green Car­go des­halb mit Spe­di­ti­ons­un­ter­neh­men tei­len: Wäh­rend das Bahn­un­ter­neh­men die mari­ti­me Kühl­wa­re vom nor­we­gi­schen Nar­vik über die Ofot­bahn und ent­lang der schwe­di­schen Ost­see­küs­te in den Groß­raum Oslo trans­por­tiert, brin­gen Kühl-Lkw die Ware Rich­tung Finn­land, Bal­ti­kum und Russ­land bevor­zugt mit Wasa Line über den Bot­t­ni­schen Meer­bu­sen.

Die nörd­lichs­te ganz­jäh­ri­ge Fähr­li­nie Euro­pas, die Nord­schwe­dens größ­ten Logis­tik­hub Umeå mit dem fin­ni­schen Vaa­sa in nur vier Stun­den Fahr­zeit ver­bin­det, bedient mit dem Neu­bau der Auro­ra Bot­nia nicht zuletzt die wach­sen­de Nach­fra­ge der Car­go­kun­den. Das nach Anga­ben der Ree­de­rei dann umwelt­freund­lichs­te RoPax-Fähr­schiff der Welt wird im Lau­fe die­ses Jah­res zum Ein­satz kom­men und den inter­mo­da­len Hub Umeå zusätz­lich stär­ken. (jpn)