Tour de Force für Wind­park in Marok­ko

Sie­mens Game­sa lie­fer­te 150 Rotor­blät­ter mit Spe­zi­al­fahr­zeu­gen auf vier Rou­ten nach Midelt. Schnee, Wind und Coro­na erschwer­ten die Son­der­trans­por­te.

Von Kers­tin Kloss

Für Som­mer­ur­lau­ber in Aga­dir oder Mar­ra­kesch schwer vor­stell­bar – aber in Marok­ko kann es schnei­en. Und das macht Schwer­trans­por­te über die Pass­stra­ßen im Atlas­ge­bir­ge zu einer Her­aus­for­de­rung, wie Moha­med Aya­di weiß. Der Pro­jekt­lei­ter arbei­tet mit dem Sie­mens-Game­sa-Werk in Tan­ger zusam­men, das auf die Her­stel­lung von Rotor­blät­tern für Wind­kraft­an­la­gen spe­zia­li­siert ist. Bei eini­gen Pro­jek­ten wer­den die cir­ca 63 Meter lan­gen Rotor­blät­ter per Lkw quer durchs Land gefah­ren. So lief das auch beim 180-Mega­watt-Wind­park Midelt in Zen­tral­ma­rok­ko, der im Janu­ar die­ses Jah­res in Betrieb ging. „Wir hat­ten meh­re­re Schnee­ta­ge, an denen der Ver­kehr inner­halb der Bau­stel­le unter­bro­chen war“, berich­tet Aya­di. Hin­zu kamen wei­te­re extre­me Bedin­gun­gen, die dem Logis­tik­team zu schaf­fen mach­ten.

Zwei Tur­bi­nen pro Woche

Der 2.300 Hekt­ar gro­ße Wind­park liegt 8 Kilo­me­ter nord­öst­lich der Stadt Midelt in einer ber­gi­gen Gegend auf 1.800 Meter Höhe zwi­schen den Aus­läu­fern des Hohen und Mitt­le­ren Atlas. Hier tref­fen Oasen und Wüs­te auf Berg­käm­me, die Som­mer sind heiß und die Win­ter sehr kalt. Beim Trans­port der Rotor­blät­ter gab es das vol­le Wet­ter­pro­gramm, denn an dem Wind­park wur­de zwei Jah­re lang gebaut. „Auf­grund der geo­gra­fi­schen Lage des Stand­orts benö­tig­ten wir spe­zi­el­le Zug­ma­schi­nen, um die erheb­li­chen Stei­gun­gen zu bewäl­ti­gen“, berich­tet Aya­di. Den Trans­port über­nah­men zwei Lkw-Flot­ten mit je elf Spe­zi­al­fahr­zeu­gen, nur so ließ sich die erfor­der­li­che Lie­fer­ra­te von zwei kom­plet­ten Tur­bi­nen pro Woche gewähr­leis­ten.

Die eige­ne Trans­port­ab­tei­lung von Sie­mens Game­sa konn­te das nicht alles allei­ne stem­men. Aya­di erklärt: „Wir arbei­ten zusätz­lich mit mul­ti­na­tio­na­len Sub­un­ter­neh­mern mit inter­na­tio­na­ler Erfah­rung zusam­men. Unse­re Logis­tik­part­ner wer­den von einem fest zuge­ord­ne­ten Logis­tik-Pro­jekt­ma­na­ger aus unse­rem Pro­jekt­team geführt, und er wird wie­der­um direkt vom Logis­tik-Back-up-Büro unter­stützt.“ Beim Son­der­trans­port für den Wind­park in Midelt kamen 22 Spe­zi­al­fahr­zeu­ge des Joint Ven­tures (JV) Laso Las­ar­te Wind zum Ein­satz. Das JV wur­de nach Anga­ben der spa­ni­schen Fach­zei­tung „Trans­por­te XXI“ 2019 in Rabat von Trans­por­tes Las­ar­te aus Spa­ni­en sowie Laso Trans­por­tes aus Por­tu­gal gegrün­det und hat 150 Rotor­blät­ter für 50 Wind­rä­der zur Bau­stel­le in Midelt gebracht.

Foto: Sie­mens Game­sa

Was das Pro­jekt beson­ders kom­pli­ziert mach­te: Für den Trans­port der unter­schied­li­chen Kom­po­nen­ten muss­te die Stre­cken­füh­rung von vier unter­schied­li­chen Rou­ten aus­ge­ar­bei­tet wer­den. Wäh­rend die Sie­mens-Game­sa-Fabrik in Tan­ger die Rotor­blät­ter her­stell­te, pro­du­zier­te ein Unter­lie­fe­rant die Tür­me jeweils zur Hälf­te in der Regi­on Casa­blan­ca sowie in der Hafen­stadt El Jadi­da am Atlan­tik. Die Off­shore-Aus­rüs­tung, um den Wind­park im san­di­gen Nir­gend­wo über­haupt errich­ten zu kön­nen, muss­te im Mit­tel­meer­ha­fen Nador unweit der spa­ni­schen Enkla­ve Mel­il­la abge­holt wer­den. „Natür­lich ist die Stra­ßen­in­fra­struk­tur ange­sichts der Län­ge der Pro­duk­te, die in eini­gen Fäl­len 65 Meter über­schrei­ten, und des Gewichts von über 80 Ton­nen nicht gut an unse­re spe­zi­el­len Trans­port­an­for­de­run­gen ange­passt“, sagt Aya­di. Des­halb sei „eine gro­ße Anzahl von Anpas­sun­gen“ erfor­der­lich gewe­sen, um den Trans­port zu ermög­li­chen. Als Bei­spie­le nennt der Pro­jekt­ma­na­ger Kreis­ver­keh­re, Ver­kehrs­si­gna­le, Umge­hungs­brü­cken oder die Besei­ti­gung von Bäu­men und Hin­der­nis­sen. Der ers­te Stra­ßen­trans­port star­te­te im Novem­ber 2019, es soll­ten 550 Son­der­trans­por­te mit mehr als 200 Con­tai­nern fol­gen. Wegen der hohen Wind­ge­schwin­dig­kei­ten in der Regi­on konn­te das Off­shore-Equip­ment anfangs nicht frist­ge­recht ent­la­den wer­den. Doch die größ­te Her­aus­for­de­rung lag für Aya­di dar­in, das Pro­jekt mit­ten in der Covid-19-Pan­de­mie abzu­wi­ckeln. „Die gro­ße Unge­wiss­heit zu Beginn der Pan­de­mie und die voll­stän­di­ge Abrie­ge­lung des Lan­des“ fand er beson­ders schwie­rig. Umso mehr freut ihn, dass Sie­mens Game­sa letzt­lich ter­min­ge­recht lie­fern konn­te.

Ehr­gei­zi­ger Ener­gie­plan

Marok­ko gilt in Afri­ka als Vor­rei­ter bei erneu­er­ba­rer Ener­gie. Bis zum Jahr 2030 sol­len 52 Pro­zent der Ener­gie aus erneu­er­ba­ren Quel­len stam­men, davon allein 20 Pro­zent aus Wind­kraft. Der marok­ka­ni­sche Ener­gie­plan sieht wei­te­re neue Wind­kraft­an­la­gen vor, bei­spiels­wei­se Jbel Lah­did (200 Mega­watt) in Essaoui­ra an der Atlan­tik­küs­te. Eins steht jetzt schon fest: Auch bei künf­ti­gen Pro­jek­ten wird Sie­mens Game­sa wie­der extre­me logis­ti­sche Bedin­gun­gen meis­tern müs­sen .
(Jan Peter Nau­mann)

■ Sie­mens Game­sa Marok­ko Sie­mens Game­sa Rene­wa­ble Ener­gy mit Sitz in Zamu­dio bei Bil­bao (Spa­ni­en) ist eine Toch­ter­ge­sell­schaft von Sie­mens Ener­gy in Mün­chen. Das 37.000 Qua­drat­me­ter gro­ße Werk von Sie­mens Game­sa Marok­ko in der Tan­ger Free Zone hat 750 Mit­ar­bei­ten­de, die seit April 2017 Rotor­blät­ter her­stel­len. Haupt­säch­lich gehen sie in den Export nach Euro­pa, den Nahen Osten und Afri­ka. Ver­schifft wird über den 35Kilometer ent­fern­ten Mit­tel­meer­ha­fen Tan­ger Med.