Auf zu den Ster­nen!

Logis­tik kennt kei­ne Gren­zen: Space Logi­stics

Von Micha­el Hen­ke

Logis­tik ver­sorgt die Welt. Und dar­über hin­aus? Über die Gren­zen unse­rer Welt hin­aus den­ken in der Logis­tik erst weni­ge. Doch die­se Weni­gen erschaf­fen neue Wel­ten: im Welt­raum.

Hoch hin­aus

Inter­es­san­ter­wei­se haben eini­ge der bekann­ten Mil­li­ar­dä­re, die schon vor Jah­ren began­nen, Space und damit auch Space Logi­stics zu erfor­schen, ihr Ver­mö­gen tat­säch­lich in der klas­si­schen ter­res­tri­schen Logis­tik gemacht. Der Grün­der von Ama­zon zum Bei­spiel, der inzwi­schen eini­ge Welt­raum­pro­gram­me för­dert. Wer ein­mal sei­ne Nase in das The­ma steckt, ist schnell fas­zi­niert: Die Rede ist von der Kolo­nia­li­sie­rung ande­rer Pla­ne­ten oder auch von Space Mining auf erd­na­hen Aste­ro­iden, die den kom­plet­ten Welt­be­darf an Indus­trie­me­tal­len auf Jahr­zehn­te hin­aus decken könn­ten. Wobei Space Logi­stics kei­ne Uto­pie mehr ist: Auf dem Weg zu den Ster­nen bau­en wir Raum­sta­tio­nen, deren ers­te schon heu­te logis­tisch ver­sorgt wird: die ISS. Doch der Waren­ver­kehr könn­te bald auch umge­kehrt lau­fen.

Made in Space

Es ist bekannt, dass sich orga­ni­sches Mate­ri­al mit dem 3D-Dru­cker leich­ter im Welt­raum als auf der Erde dru­cken lässt: Das Vaku­um des lee­ren Raums ist prak­tisch die Rein­raum­tech­no­lo­gie von Mut­ter Natur. Damit könn­ten sich zum Bei­spiel Kunst­her­zen sehr viel leich­ter und schnel­ler Schicht für Schicht abso­lut rein auf­bau­en las­sen – und das Shut­tle wür­de sie dann zu den Herz­pa­ti­en­ten auf der Erde brin­gen. Exper­ten schät­zen, dass auch ande­re Druck­ver­fah­ren im All bes­ser lau­fen. So könn­te die Chip-Pro­duk­ti­on künf­tig durch­aus im Orbit statt­fin­den. Die Logis­tik schickt die Mate­ria­li­en hoch und bringt die fer­ti­gen Chips zurück zur Erde. Inso­fern kommt auch die Erschlie­ßung des Alls nicht ohne Logis­tik aus. Im Gegen­teil: Den Füh­rungs- und Gestal­tungs­an­spruch, den die Logis­tik auf der Erde for­dert, muss und wird sie auch bei der Erobe­rung des Welt­raums auf­recht­erhal­ten. Wobei wir für welt­be­we­gen­de Neue­run­gen nicht ganz so weit gehen müs­sen: Bereits im erd­na­hen Orbit sind logis­ti­sche Anwen­dun­gen vor­stell­bar.

Bild: iStock

Das Waren­haus im Orbit

Der bereits erwähn­te Jeff Bezos hat vor eini­ger Zeit ein Patent für flie­gen­de Waren­haus-Luft­schif­fe ange­mel­det, die ihrer­seits von klei­ne­ren Luft­schif­fen belie­fert wer­den. In rund 14 Kilo­me­tern Höhe könn­ten die­se in Zukunft über Groß­städ­ten und Groß-Events schwe­ben. Der Super­bowl-Besu­cher zum Bei­spiel könn­te dann von der Sta­di­on­tri­bü­ne aus bestel­len und noch auf der Tri­bü­ne bin­nen weni­ger Minu­ten sein Fan-T-Shirt von einer Droh­ne gelie­fert bekom­men. Nicht alle fin­den das phä­no­me­nal. Eine Jour­na­lis­tin der New York Times schrieb: „Da ent­steht der Todes­stern des E‑Commerce.“ Wem das heu­te noch als Phan­ta­sie­ge­bil­de erscheint, der sei dar­an erin­nert, was aus vie­len Uto­pien wur­de: Cap­tain Kirks uto­pi­scher Kom­mu­ni­ka­tor aus der TV-Serie „Star Trek“ in den 1960ern zum Bei­spiel wur­de in den 1990er-Jah­ren zur Mas­sen­wa­re Han­dy.

Nicht uto­pisch, eher rea­lis­tisch

Die Tech­no­lo­gie ist längst da: Luft­schif­fe gibt es schon lan­ge und mitt­ler­wei­le eben­so sehr leis­tungs­fä­hi­ge Droh­nen. Auch hier am Fraun­ho­fer IML haben wir bereits Tech­no­lo­gien ent­wi­ckelt, die im Rah­men einer Nasa-Mis­si­on genutzt wur­den. Dabei han­delt es sich um ein intel­li­gen­tes Sys­tem, mit dem sich künf­tig bei­spiels­wei­se Fracht­kon­vois auf Rei­sen schi­cken las­sen, ohne dass die Astro­nau­ten für deren Zusam­men­bau ihre Raum­fahr­zeu­ge ver­las­sen müs­sen, da die ein­zel­nen Bau­tei­le im Orbit in der Lage sind, sich mit­tels ein­ge­bau­ter Magne­te sel­ber zu einem Gan­zen zusam­men­zu­set­zen. Viel von der „Traum­welt der Logis­tik“ hal­ten wir bereits heu­te in Hän­den. Die tech­no­lo­gi­sche Mach­bar­keit von Pro­duk­ti­ons­pro­zes­sen und deren Ver­sor­gung durch die Logis­tik im Welt­raum scheint rea­lis­tisch zu sein. Natür­lich wird nicht alles gemacht, bloß weil es mach­bar wäre – es muss auch eine gewis­se Not­wen­dig­keit hin­zu­kom­men. Brau­chen wir denn unbe­dingt Fabri­ken im All und E‑Commerce im Orbit? Wenn wir so dar­über nach­den­ken: Die Welt­be­völ­ke­rung wächst immer mehr, eher expo­nen­ti­ell als line­ar – mit allen Her­aus­for­de­run­gen, die das mit sich bringt: Gibt es künf­tig (end­lich) genug Nah­rung für alle? Wie nach­hal­tig kann sie pro­du­ziert und ver­teilt wer­den? Wenn eine Groß­macht ins All geht, zie­hen dann die ande­ren mit? Nach­den­ken soll­ten wir vor allem, weil wir die Res­sour­cen unse­rer Erde bereits heu­te über Gebühr stra­pa­ziert haben. Ange­sichts des­sen tun wir gut dar­an, zu über­le­gen, wel­che Lebens­räu­me außer­halb der Erde wir erschlie­ßen und in Lie­fer­ket­ten ein­bin­den kön­nen, bevor die Hälf­te der Welt­be­völ­ke­rung hun­gert oder die hal­be Welt­wirt­schaft zusam­men­bricht.

Bild: iSt­cok

Steak vom Stern

Der Welt­raum birgt roh­stoff­rei­che Aste­ro­iden und Pla­ne­ten, die kei­ner bewohnt. Und er offe­riert inno­va­ti­ve Pro­duk­ti­ons­mög­lich­kei­ten. Bei­spiel Fleisch: Wir wis­sen, wie viel kli­ma­schä­di­gen­des CO2 jähr­lich durch Vieh­zucht ent­steht. Des­halb gibt es Über­le­gun­gen, Zel­len von Rin­dern im Welt­all künst­lich sozu­sa­gen bis auf Schnit­zel­grö­ße zu ver­meh­ren. In Pilot­stu­di­en sind die­se Ver­fah­ren bereits erfolg­reich. Bis­lang denkt man vor­wie­gend dar­an, mit dem Kunst­fleisch Astro­nau­ten zu ver­sor­gen, damit die­se sich nicht stän­dig aus der Tube ernäh­ren müs­sen und end­lich ein ver­nünf­ti­ges Steak zwi­schen die Zäh­ne bekom­men. Was im Klei­nen funk­tio­niert, könn­te es auch im Gro­ßen geben: Nah­rung für die Welt aus dem Welt­all. Der Rück­trans­port der Welt­all-Schnit­zel aus dem Orbit zur Erde könn­te nicht nur mög­lich, son­dern bald schon nötig sein, wenn wir es allein nicht mehr schaf­fen, all das nach­hal­tig und ohne Kli­ma-Sabo­ta­ge zu pro­du­zie­ren, was wir zum (Über-)Leben brau­chen. Dazu müs­sen wir über unse­re der­zei­ti­gen Gren­zen hin­aus­den­ken. Dabei kann und darf die Logis­tik von Anfang an nicht feh­len.