Der Trend zur Digi­ta­li­sie­rung

Alles was digi­ta­li­sier­bar ist, wird digi­tal­siert wer­den. Die­se Ein­sicht gilt auch für das Leh­ren und Ler­nen im betrieb­li­chen Umfeld.

von Prof. Claus Much­na

Digi­ta­le Tech­no­lo­gien eröff­nen neue Mög­lich­kei­ten, die betrieb­li­che Aus- und Wei­ter­bil­dung zum Vor­teil der Unter­neh­men und der Beleg­schaft zu ver­bes­sern. Bis­lang ist die Prä­senz­leh­re die Basis, die bei hohem orga­ni­sa­to­ri­schem Auf­wand an fes­te (Zeit-/Orts-) Struk­tu­ren gebun­den ist. Oft ist ein Ziel­kon­flikt zwi­schen Schu­lung und Anwe­sen­heit am Arbeits­platz gege­ben. Digi­ta­li­sie­rung kann Abhil­fe schaf­fen. Dabei soll die digi­ta­le Opti­on kom­ple­men­tär gese­hen wer­den (Blen­ded Lear­ning) und nicht als völ­li­ger Ersatz der Prä­senz­leh­re. Die Coro­na-Pan­de­mie hat einen Schub der Digi­ta­li­sie­rung erzwun­gen (mobi­les Arbei­ten, Web-Kon­fe­ren­zen), auch in der betrieb­li­chen Schu­lung (gemäß einer Stu­die der Fos­way Group, https://www.fosway.com/research/next-gen-learning/covid19-research/) und eine Erfah­rungs­ba­sis geschaf­fen, die kon­struk­tiv genutzt wer­den soll­te. Dabei soll­te nicht zu ein­sei­tig von der Tech­nik, son­dern von der Didak­tik aus gedacht wer­den. Auch die Erfah­run­gen mit dem Home­schoo­ling kön­nen Hin­wei­se auf mög­li­che Feh­ler und Anre­gun­gen zu deren Ver­mei­dung geben.

Digi­ta­le Lern­me­di­en

Lern­me­di­en Digi­ta­les Ler­nen umfasst die Nut­zung ver­schie­de­ner digi­ta­ler Medi­en zur Wis­sens­ver­mitt­lung und ‑aneig­nung, indi­vi­du­ell und in Grup­pen. Es ist eine Spann­brei­te von ein­fa­chen Tech­ni­ken bis zu kom­ple­xer Lern­soft­ware ver­füg­bar, zum Bei­spiel als Ein­zelin­stru­men­te:

  • Online-Semi­nar/­Web­i­nar
  • Lern­vi­de­os
  • Pod­cast (Audio­bei­trä­ge)
  • Gamification/Serious Games (Ein­satz von Spiel­ele­men­ten bzw. Computer-(Plan-)Spielen in digi­ta­len Lern­an­ge­bo­ten)
  • digi­ta­ler Zwil­ling (vir­tu­el­les Abbild einer phy­si­schen Anla­ge)
  • Vir­tu­al Rea­li­ty (Ler­nen in einer com­pu­ter­ani­mier­ten 360-Grad-Umge­bung)
  • Chat/Chatbot als digi­ta­les Dia­log sys­tem
  • bzw. als kom­ple­xe­re Ein­hei­ten:
  • Web Based Trai­ning (WBT)
  • elek­tro­ni­sche Lern­platt­for­men
  • Lear­ning-Manage­ment-Sys­tem (LMS)

Zu emp­feh­len ist, mit ein­fa­chen Medi­en zu star­ten, bei denen der vor­han­de­ne Lehr­in­halt (zunächst mehr oder weni­ger unver­än­dert) in digi­ta­ler Form dar­ge­bo­ten wird (Web­i­nar oder Pod­cast), und Erfah­run­gen zu sam­meln. Die selbst erstell­ten Inhal­te kön­nen suk­zes­si­ve um exter­ne Inhal­te ergänzt wer­den (Lern­vi­de­os auf You­tube). Bevor in kom­ple­xe­re Lehr-/Lern­sys­te­me inves­tiert wird, etwa in WBT oder eine Lern­platt­form, soll­te eine Bedarfs­ana­ly­se vor­ge­nom­men wer­den und ein didak­ti­sches, inhalt­li­ches Bil­dungs­kon­zept erar­bei­tet wer­den. WBT fas­sen ver­schie­de­ne digi­ta­le Lern­ein­hei­ten (Text, Video, Audio etc.) zu einem struk­tu­rier­ten Lern­in­halt zusam­men. Unter­stützt wird dies durch eine LMS-Soft­ware. Digi­ta­le Zwil­lin­ge und VR eig­nen sich beson­ders bei der Schu­lung tech­ni­scher Sys­te­me. Zwei Aspek­te der Digi­ta­li­sie­rung in der Bil­dung sind eng mit­ein­an­der ver­bun­den. Einer­seits geht es um einen orga­ni­sa­to­ri­schen und kul­tu­rel­len Ver­än­de­rungs­pro­zess, bei dem die Akzep­tanz aller Betei­lig­ten zu errei­chen ist. Dies betrifft Ziel­grup­pen, für die die­se Ver­än­de­run­gen mit Hemm­schwel­len ver­bun­den sind und ande­re, für die der Umgang mit digi­ta­len Medi­en selbst­ver­ständ­lich ist, respek­ti­ve die die­se auch beim betrieb­li­chen Ler­nen erwar­ten. Ande­rer­seits erge­ben sich aus der Digi­ta­li­sie­rung selbst Bil­dungs­be­dar­fe, bezüg­lich der Medi­en­kom­pe­tenz (Medi­en aus­wäh­len, nut­zen, kri­tisch reflek­tie­ren, aber auch erstel­len).

Cha­rak­te­ri­sie­rung des digi­ta­len Ler­nens und Sicht der Betei­lig­ten

Digi­ta­les Ler­nen ist beson­ders durch die fol­gen­den Eigen­schaf­ten cha­rak­te­ri­siert.

  • Ler­nen erfolgt viel­fach zeit- und/oder orts­un­ab­hän­gig.
  • Ler­nen kann sehr auf den indi­vi­du­el­len Bedarf zuge­schnit­ten wer­den.
  • Ler­nen kann in den Arbeits­pro­zess inte­griert oder außer­halb erfol­gen.
  • Ler­nen erfolgt weit­ge­hend selbst gesteu­ert durch die Ler­nen­den.

Damit sind bereits wesent­li­che Vor­tei­le genannt, aber auch Her­aus­for­de­run­gen. Betrach­ten wir die Betei­lig­ten. Für den Arbeit­ge­ber wird es leich­ter mög­lich, jedem auf sei­ne Bil­dungs­be­dürf­nis­se zuge­schnit­te­ne Inhal­te bereit­zu­stel­len. Bil­dung wird somit im Sin­ne der Per­so­nal­ent­wick­lung ziel­ge­nau­er. Das Ler­nen kann in wei­ten Tei­len fle­xi­bel im Zuge der Arbeits­zei­ten erfol­gen. Eine Inte­gra­ti­on in den Arbeits­pro­zess för­dert das Zusam­men­spiel von for­ma­lem und infor­mel­lem Ler­nen. Auch in dezen­tra­len Struk­tu­ren kann ein ein­heit­li­ches Bil­dungs­an­ge­bot und Niveau sicher­ge­stellt wer­den; Ein­zel­teil­neh­mer aus klei­ne­ren Ein­hei­ten kön­nen in vir­tu­el­le Lern­grup­pen ein­ge­bun­den wer­den. Der Ler­nen­de kann sein Lern­pen­sum in wei­ten Tei­len so gestal­ten, wie es für ihn opti­mal ist. Dies betrifft die Zeit, die Geschwin­dig­keit, aber auch, je nach (visu­el­lem, audi­tivem, moto­ri­schem) Lern­typ und Medi­en­viel­falt, die Wahl der Dar­bie­tung des Inhalts. Um die­se Vor­tei­le aus­schöp­fen zu kön­nen, soll­te selbst gesteu­er­tes Ler­nen in das Lehr­pro­gramm auf­ge­nom­men wer­den („Ler­nen ler­nen“). Für Leh­ren­de erge­ben sich neue Her­aus­for­de­run­gen. Es ist nicht aus­rei­chend, die Lehr­in­hal­te in digi­ta­le Medi­en zu kopie­ren. Das Distanz­leh­ren und beson­ders Lehr­in­hal­te für das Selbst­stu­di­um for­dern eine ande­re didak­ti­sche Auf­be­rei­tung. Der digi­ta­le Dia­log ist meist weni­ger spon­tan und die Betei­li­gung oft gerin­ger. Wich­tig ist es, beim digi­ta­len Leh­ren die Ler­nen­den zur akti­ven Betei­li­gung zu moti­vie­ren, etwa durch spie­le­ri­sche Ele­men­te, Auf­ga­ben oder Grup­pen­ar­beit. So kann „Mit­mach-Ler­nen“ anstel­le von „Lehr­kon­sum“ geför­dert wer­den. Da beim selbst gesteu­er­ten Ler­nen die Ler­nen­den selbst den Lern­fort­schritt (anders als auf­grund per­ma­nen­ter Rück­mel­dung in der Prä­senz­leh­re) nur bedingt wahr­neh­men, ist es wich­tig, für jedes Lern­ele­ment Lern­zie­le vor­zu­ge­ben und klein­tei­li­ge Lern­erfolgs­kon­trol­len ein­zu­bau­en. So ist es auch sinn­voll, die Ler­nen­den eine Selbst­ein­schät­zung zu ihrem Kom­pe­tenz­ni­veau hin­sicht­lich der Lehr­in­hal­te vor und nach der Schu­lung vor­neh­men zu las­sen. Digi­ta­les Ler­nen bedarf somit dau­er­haf­ter und inten­si­ver Beglei­tung, die sehr indi­vi­du­ell aus­ge­rich­tet wer­den kann. Hier­mit wird auch deut­lich, dass digi­ta­les und selbst gesteu­er­tes Ler­nen nicht unter dem Aspekt eines redu­zier­ten Lehr­auf­wands zu sehen ist. Unter­neh­men soll­ten im Sin­ne des Make or Buy über­prü­fen, ob sie selbst über die not­wen­di­gen Kern­kom­pe­ten­zen (fach­lich und didak­tisch) ver­fü­gen oder eine Zusam­men­ar­beit mit einem Bil­dungs­dienst­leis­ter vor­teil­haft ist.

Zukunfts­vi­si­on des digi­ta­len Ler­nens

Schau­en wir abschlie­ßend etwas wei­ter in die Zukunft. Wenn das digi­ta­le Lern­pro­gramm die Daten des Ler­nens im Pro­zess erfasst, wird es mög­lich wer­den, unter Ein­satz künst­li­cher Intel­li­genz den Ler­nen­den noch geziel­ter und indi­vi­du­el­ler zu unter­stüt­zen. KI wird den Lern­fort­schritt erken­nen, Lern­schwä­chen auf­de­cken, den Lern­ty­pus iden­ti­fi­zie­ren und ein vir­tu­el­ler Lern­as­sis­tent kann den Ler­nen­den indi­vi­du­ell durch das Lehr­pro­gramm füh­ren, Rück­mel­dun­gen und Emp­feh­lun­gen geben, um den Lern­pro­zess zu opti­mie­ren. ■ Claus Much­na ist Pro­fes­sor für All­ge­mei­ne Betriebs­wirt­schafts­leh­re an der Ham­bur­ger Fern-Hoch­schu­le (HFH), Stu­di­en­gangs­lei­ter für den MBA-Stu­di­en­gang Gene­ral Manage­ment sowie das dua­le Stu­di­um Logis­tik-Bache­lor Illus­tra­ti­on

Foto: istock

Nütz­li­che Links
Ein­stieg ins digi­ta­le Ler­nen

  • Im eLear­ning Jour­nal sind vie­le (frei zugäng­li­che) Fach­bei­trä­ge, auch mit Pra­xis­bei­spie­len ver­füg­bar. https://www.elearning-journal.com/fachbeitraege/
  • Der Deut­sche Bil­dungs­ser­ver bie­tet ein brei­tes Infor­ma­ti­ons­an­ge­bot zum The­ma Bil­dung Als Meta­ser­ver wird pri­mär auf Inter­net-Res­sour­cen ver­wie­sen, die u. a. von Bund und Län­dern, der Euro­päi­schen Uni­on, von Hoch­schu­len, Schu­len oder For­schungs- und Ser­vice­ein­rich­tun­gen bereit­ge­stellt wer­den. https://www.bildungsserver.de/e‑learning-9402-de.html
  • Das Kom­pe­tenz­zen­trum Fach­kräf­te­si­che­rung (Kofa) unter­stützt klei­ne und mitt­le­re Unter­neh­men bei der Gestal­tung ihrer Per­so­nal­ar­beit. Das Kofa ist ein Pro­jekt im Auf­trag des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Wirt­schaft und Kli­ma­schutz. Auf der Web­site sind Erläu­te­run­gen und Hil­fe­stel­lun­gen zum E‑Learning ver­füg­bar, so eine Über­sicht und Ent­schei­dungs­hil­fe zu E‑Lear­ning-For­ma­ten. https://www.kofa.de/personalarbeit/weiterbildung/ e‑lear­ning-digi­ta­les-ler­nen/
  • Ver­bund­in­itia­ti­ve „ Mensch und Logis­tik in der Digi­ta­li­sie­rung (Melo­di)“. Die Initia­ti­ve unter­stützt Mit­glie­der bei der Kon­zep­ti­on und Umset­zung digi­ta­ler Wei­ter­bil­dungs­an­ge­bo­te. Auf einer elek­tro­ni­schen Lern­platt­form (Cora) sind im Rah­men des geför­der­ten Pro­jekts erstell­te Lern­ein­hei­ten ver­füg­bar. http://www.netzwerk-melodi.de/