Wenn die Logis­tik zur Stüt­ze der Ener­gie­wen­de wird

Von Kuno Neu­mei­er

Was Pfle­ge­kräf­te und Logis­ti­ker eint — und war­um bei­de Applaus ver­die­nen.

Im März 2020 stan­den die Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten aller Par­tei­en gleich­zei­tig auf und applau­dier­ten. Die­ser Bei­fall galt Ärz­ten, Pfle­ge­kräf­ten und allen ande­ren, die die Ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung sicher­stel­len. Dazu gehör­ten – und gehö­ren – mei­ner Mei­nung nach auch klar die Logis­ti­ker, die das Rück­grat der Wirt­schaft bil­den und nicht nur Unter­neh­men, son­dern gan­ze Städ­te am Lau­fen hal­ten. Den­noch ist das Image der deut­schen Logis­tik wei­ter­hin aus­bau­fä­hig. Der dritt­größ­te Wirt­schafts­zweig in Deutsch­land wird mit hohem Ver­kehrs­auf­kom­men, Lärm, Schad­stoff­be­las­tung und Flä­chen­fraß in Ver­bin­dung gebracht.

Aktu­ell hat die deut­sche Logis­tik­bran­che – und spe­zi­ell das Immo­bi­li­en­seg­ment – die Chan­ce, einen wei­te­ren gesell­schaft­lich sehr wich­ti­gen Bei­trag zu leis­ten und das eige­ne Image zu ver­bes­sern. Die Rede ist von der Ener­gie­wen­de. Schließ­lich gibt es trotz der hohen Dring­lich­keit noch kei­ne kla­re Lösung, wie der Aus­bau der grü­nen Ener­gie­infra­struk­tur von zen­tra­ler Stel­le in den kom­men­den Jah­ren bewäl­tigt wer­den kann. Die Poli­tik steht vor einer Mam­mut­auf­ga­be, für die sie auf Unter­stüt­zung aus der Wirt­schaft ange­wie­sen ist.

Jahr für Jahr ent­ste­hen meh­re­re Mil­lio­nen Qua­drat­me­ter Logis­tik­flä­che. Die Dach- und Fas­sa­den­be­rei­che die­ser Immo­bi­li­en könn­ten ide­al mit Pho­to­vol­ta­ik­pa­nee­len aus­ge­stat­tet wer­den. In der Rea­li­tät wird das zwar inzwi­schen regel­mä­ßig umge­setzt – jedoch nicht in dem Aus­maß, das mög­lich und auch wirt­schaft­lich sinn­voll wäre.

Kein Wunsch­den­ken, son­dern wirt­schaft­li­che Not­wen­dig­keit

Der Ukrai­ne-Krieg und die dar­aus resul­tie­ren­de Ener­gie­kri­se haben dafür gesorgt, dass die Neben­kos­ten und damit die soge­nann­te zwei­te Mie­te bei kon­ven­tio­nel­len Logis­tik­im­mo­bi­li­en stark gestie­gen sind. Eine Rück­kehr der Prei­se auf Vor­kri­sen­ni­veau erscheint sehr unrea­lis­tisch. Dem­entspre­chend groß ist der Druck für Pro­jekt­ent­wick­ler, aber auch für die dahin­ter­ste­hen­den Inves­to­ren, alter­na­ti­ve Immo­bi­li­en­kon­zep­te zu bie­ten. Lan­ge Zeit lau­te­te das geflü­gel­te Wort dabei „Kli­ma­neu­tra­li­tät“, also ein kom­plet­ter Aus­gleich der ent­ste­hen­den CO2-Aus­stö­ße durch die auf dem Are­al pro­du­zier­te Ener­gie. Die Anstren­gun­gen kön­nen und soll­ten aber deut­lich wei­ter­ge­hen. Durch einen kli­ma­po­si­ti­ven Ansatz kön­nen Logis­tik­im­mo­bi­li­en die über­schüs­si­ge Ener­gie an die Haus­hal­te, Büros und Pro­duk­ti­ons­be­trie­be aus der Nach­bar­schaft abge­ben.

Wind­rä­der :// Cre­dits: iStock

Theo­re­tisch wäre es mög­lich, 800.000 Haus­hal­te allein durch Logis­tik­im­mo­bi­li­en zu ver­sor­gen, die in den letz­ten zehn Jah­ren errich­tet wur­den. Zumal Pho­to­vol­ta­ik nicht die ein­zi­ge Mög­lich­keit ist, grü­ne Ener­gie auf Logis­tik­area­len zu erzeu­gen: Von Block­heiz­kraft­wer­ken auf Basis rege­ne­ra­ti­ver Ener­gien über Wind­kraft­an­la­gen bis hin zur Geo­ther­mie sind die viel­fäl­tigs­ten Ansät­ze mög­lich. Zudem las­sen sich sol­che Kon­zep­te ide­al mit Lade­säu­len ver­bin­den, die eine Umstel­lung von (im Betrieb sehr teu­ren) Die­sel­fahr­zeu­gen und Ben­zi­nern auf moder­ne E‑Fahrzeuge ermög­li­chen.

Ein Mit­tel gegen die Ener­gie­in­fla­ti­on

Im Sep­tem­ber 2022 lag die offi­zi­ell vom Sta­tis­ti­schen Bun­des­amt gemel­de­te Ener­gie­preis­stei­ge­rung bei 43,9 Pro­zent ver­gli­chen mit dem Vor­jah­res­mo­nat. Spä­tes­tens seit der extre­men Teue­rung der fos­si­len Ener­gie­trä­ger zeigt sich auch empi­risch nach­weis­bar, dass der Strom­preis umso höher ist, je weni­ger „grü­ner“ Strom im Netz ist. Umge­kehrt wird der Strom­preis güns­ti­ger, je mehr auf erneu­er­ba­re Ener­gien gesetzt wird. Von die­sen Preis­sen­kun­gen pro­fi­tie­ren nicht nur die Unter­neh­men (inner- und außer­halb der Logis­tik­im­mo­bi­li­en), die zudem ihre Strom­kos­ten bes­ser kal­ku­lie­ren kön­nen, son­dern auch die Bevöl­ke­rung und sogar der Ein­zel­han­del. Denn schließ­lich bedeu­ten nied­ri­ge­re Ener­gie­kos­ten für die pri­va­ten Haus­hal­te im Umkehr­schluss auch eine höhe­re Kauf­kraft.

Pho­to­vol­ta­ik­an­la­gen :// Cre­dits: iStock

Die Hür­den sind zahl­reich

Bis es zu die­ser mög­li­chen Win-win-Situa­ti­on für die Logis­tik­bran­che inklu­si­ve Pro­jekt­ent­wick­ler, Anwoh­ner und nicht zuletzt für die Kom­mu­nen selbst kommt, müs­sen jedoch meh­re­re Hür­den über­wun­den wer­den. Dabei geht es nicht allein um die ver­füg­ba­ren Netz­ka­pa­zi­tä­ten, die der­zeit oft nicht aus­rei­chen, um den gewon­ne­nen grü­nen Strom ins öffent­li­che Netz ein­zu­spei­sen.

Auch die Regu­la­to­rik ist sehr kom­pli­ziert: Neue Pho­to­vol­ta­ik­pa­nee­le müs­sen nicht nur von (schwer ver­füg­ba­ren) Fach­kräf­ten instal­liert, son­dern auch von aus­ge­wie­se­nen Spe­zia­lis­ten zer­ti­fi­ziert wer­den, damit sie in Betrieb genom­men wer­den dür­fen. Die­se sto­ßen jedoch auf­grund der gestie­ge­nen Nach­fra­ge an ihre Gren­zen – die Fol­ge sind erheb­li­che Ver­zö­ge­run­gen.

Dies sind nur eini­ge der zahl­rei­chen Her­aus­for­de­run­gen, die gemein­sam gelöst wer­den müs­sen. Doch genau­so, wie pri­va­te Unter­neh­men ihren Teil dazu bei­tra­gen müs­sen, die Ener­gie­wen­de vor­an­zu­trei­ben, benö­tigt die Wirt­schaft wie­der­um Rücken­wind aus der Poli­tik. Der Grund­ge­dan­ke, dass Logis­tik­im­mo­bi­li­en zu klei­nen „Kraft­wer­ken“ und wich­ti­gen Kno­ten­punk­ten einer zukunfts­star­ken Ener­gie­infra­struk­tur wer­den, kann und soll­te jedoch dafür sor­gen, dass die Neu­ent­wick­lung auch groß­flä­chi­ger Objek­te viel posi­ti­ver bewer­tet wird, als es bis­lang der Fall ist. Des­halb ist die aktu­el­le Situa­ti­on für die Logis­tik- und Immo­bi­li­en­bran­che mit der gro­ßen Chan­ce ver­bun­den, das Image end­lich nach­hal­tig auf­zu­wer­ten.