Mehr Bene­fits statt mehr Brut­to?

Nicht jeder Arbeit­ge­ber wird sich in die­sen Kri­sen­zei­ten Gehalts­er­hö­hun­gen leis­ten kön­nen. Aber mit Bene­fits kön­nen Ange­stell­te womög­lich bei der Stan­ge gehal­ten wer­den. Bei gro­ßen Logis­tik­dienst­leis­tern sind sol­che Extras längst selbst­ver­ständ­lich.

von Ste­fan Bot­t­ler

Bonus­zah­lun­gen, Son­der­ur­laub, Infla­ti­ons­aus­gleich. Der Logis­tik­kon­zern Noer­pel hat sich für die rund 2800 Beschäf­tig­ten, die an 19 Stand­or­ten arbei­ten, zahl­rei­che Bene­fits ein­fal­len las­sen. Mit­ar­bei­ter mög­lichst dau­er­haft ans Unter­neh­men zu bin­den, ist das Ziel. Man­che Betriebs­stät­ten wer­ben des­halb mit wei­te­ren Extras. So kön­nen an meh­re­ren Noer­pel-Stand­or­ten Mit­ar­bei­ter Mas­sa­gen buchen, wenn sie etwas für ihre Gesund­heit tun wol­len. Auch Was­ser­spen­der und Obst­kör­be in Pau­sen­räu­men sind vie­ler­orts längst selbst­ver­ständ­lich gewor­den und wer­den rege genutzt. Und jeder Noer­pel-Beschäf­tig­te kann bis zu zwei hoch­wer­ti­ge „Job­rä­der“ lea­sen. Die Kos­ten wer­den mit dem Brut­to­lohn ver­rech­net, der Arbeit­ge­ber über­nimmt sogar die lau­fen­den Ser­vice-Aus­ga­ben. „Das Mit­ar­bei­ter­fahr­rad wird ger­ne ange­nom­men und ergänzt unse­re Anstren­gun­gen in punc­to Nach­hal­tig­keit und Gesund­heits­för­de­rung“, sagt Juni­or-Che­fin Judith Noer­pel-Schnei­der.

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Bonus oder Büro­mö­bel?

Bene­fits ste­hen neu­er­dings hoch im Kurs: Vor allem die Infla­ti­ons­aus­gleichs­prä­mie (IAP) hat sol­che Extras wie­der popu­lär gemacht. Bis Ende 2024 kön­nen Betrie­be jedem Beschäf­tig­ten bis zu 3000 Euro steu­er- und sozi­al­ab­ga­ben­frei aus­zah­len. An Alter­na­ti­ven herrscht kein Man­gel. Das Spek­trum reicht von pau­scha­len Bonus­zah­lun­gen über Job­ti­ckets, Beleg­schafts­ak­ti­en und Ein­kauf­gut­schei­nen bis zu indi­vi­du­el­len Frei­stel­lun­gen, wel­che der Arbeit­neh­mer für Fami­lie, Hob­by oder ehren­amt­li­ches Enga­ge­ment nut­zen kann. Auch Kar­rie­re­chan­cen spor­nen erfah­rungs­ge­mäß gera­de Nach­wuchs­kräf­te an. Wenn die­se in einem wich­ti­gen Pro­jekt ihr Kön­nen zei­gen und wei­te­re viel­ver­spre­chen­de Auf­ga­ben win­ken, blei­ben sie even­tu­ell län­ger als geplant bei der Stan­ge.

Das Poten­zi­al ist noch lan­ge nicht aus­ge­schöpft. „Spen­die­ren Sie ergo­no­mi­sche Büro­mö­bel“, emp­fiehlt Andrea Möckel, Inha­be­rin von Möckel Per­so­nal Con­sul­ting. „Weil vie­le Mit­ar­bei­ter im Home­of­fice auf ziem­lich unbe­que­men Stüh­len sit­zen, sind sie für sol­che Ges­ten dank­bar.“

Sol­che und ande­re Bei­spie­le zei­gen, dass Bene­fits nicht teu­er sein müs­sen. Und des­halb auch für sehr klei­ne Betrie­be inter­es­sant sind. Wenn die­se kei­nen Spiel­raum für grö­ße­re Gehalts­er­hö­hun­gen haben, kön­nen sie ver­su­chen, wech­sel­wil­li­ge Mit­ar­bei­ter mit attrak­ti­ven Goo­dies zu bin­den. „Aller­dings soll­te mög­lichst jeder Beschäf­tig­te pro­fi­tie­ren“, ergänzt Möckel. Auf das Job­rad trifft dies zu. Für die­sen Bene­fit begeis­tern sich nach den bis­he­ri­gen Erfah­run­gen alle Beru­fe – der Lkw-Fah­rer genau­so wie der Lager­mit­ar­bei­ter oder die Team­as­sis­ten­tin. „Auch Mit­ar­bei­ter, die nur fünf Minu­ten zu unse­rem Stand­ort zurück­le­gen müs­sen, wün­schen ein Job­rad“, bestä­tigt Fran­zis­ka Böhn­lein, Juni­or­che­fin des Brenn­stoff­han­dels- und Logis­tik­un­ter­neh­mens Schnur­rer in Berch­tes­ga­den. Der Dienst­leis­ter beschäf­tigt über ein hal­bes Dut­zend Lkw-Fah­rer sowie eine Büro­mit­ar­bei­te­rin. Alle fah­ren mit dem E‑Bike zur Arbeit.

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Weil das Ange­bot der­art groß ist, steht jeder Arbeit­ge­ber vor der Fra­ge, wel­cher Bene­fit für sei­ne Beleg­schaft „passt“.

Für Arne Sjö­ström müs­sen die Unter­neh­men hier­für eige­ne Kri­te­ri­en ent­wi­ckeln. „Die­se hän­gen von Stel­len­pro­fi­len, Gehalts­grup­pen und ande­ren Merk­ma­len ab“, sagt der Deutsch­land-Chef von Cul­tu­re Amp, einer Platt­form für Human Resource(HR)-Strategien. „Der Arbeit­ge­ber muss die­se Kri­te­ri­en klar defi­nie­ren und im Betrieb kom­mu­ni­zie­ren.“ Der Krea­ti­vi­tät sind laut Sjö­ström „kei­ne Gren­zen“ gesetzt. Auf aktu­el­le Trends allein dür­fen Arbeit­ge­ber sich aller­dings nicht ver­las­sen. Gegen­wär­tig wer­den zwar Zuschüs­se zur Abfe­de­rung der gestie­ge­nen Lebens­hal­tungs­kos­ten nahe­zu über­all begrüßt. Vie­le Ange­stell­te haben jedoch wei­te­re Wün­sche oder set­zen ande­re Prio­ri­tä­ten. „Vor einer Ent­schei­dung soll­ten Unter­neh­men Feed­backs in einer Umfra­ge ein­sam­meln“, emp­fiehlt Sjö­ström. Auch in Jah­res­ge­sprä­chen kön­nen sie erfah­ren, wel­che Unter­stüt­zungs­maß­nah­men ihre Gesprächs­part­ner für Arbeit und All­tag wün­schen und was Bene­fits wirk­lich leis­ten kön­nen.

Cor­po­ra­te Bene­fits

Je mehr Arbeit­neh­mer ein Arbeit­ge­ber beschäf­tigt, des­to viel­fäl­ti­ger wer­den auch deren Wün­sche. Das muss­te auch Dach­ser erfah­ren. Der Logis­tik­rie­se, der allein in Deutsch­land rund 17.000 Per­so­nen beschäf­tigt, arbei­tet seit 2022 mit Cor­po­ra­te Bene­fits, einem Dienst­leis­ter für rabat­tier­te Mit­ar­bei­ter­an­ge­bo­te, zusam­men. Auf des­sen Por­tal kön­nen Dach­ser-Beschäf­tig­te Pro­duk­te von Adi­das, Sam­sung, WMF und ande­ren bekann­ten Mar­ken­ar­tik­lern preis­güns­tig ein­kau­fen.

Außer­dem spen­diert der Logis­tik­rie­se Ener­gie­kos­ten­zu­schüs­se und Netz­werk­sta­bi­li­täts­prä­mi­en, lädt zu Fit­ness­pro­gram­men und Gesund­heits­be­ra­tun­gen ein und bie­tet eine selbst finan­zier­te Betriebs­ren­te an. Aller­dings sieht er auch die Gren­zen von Bene­fits. Mit ihnen allein kann er Beschäf­tig­te nicht bei der Stan­ge hal­ten. „Bin­dung ent­steht durch Wert­schät­zung, wer­te- und gesund­heits­ori­en­tier­te Füh­rung sowie ein gutes Arbeits­kli­ma und Mit­ein­an­der – davon sind wir über­zeugt“, sagt Vera Wei­den­mann, Cor­po­ra­te Direc­tor HR von Dach­ser. Ähn­lich äußert sich Judith Noer­pel-Schnei­der. „Bene­fits sind nur ein Fak­tor für Bin­dung und För­de­rung“, betont die Mana­ge­rin. „Wenigs­tens genau­so wich­tig sind Kol­le­gia­li­tät und Unter­neh­mens­kul­tur. Die Beschäf­tig­ten müs­sen spü­ren, dass sie etwas im Unter­neh­men bewe­gen kön­nen und ihre Ideen gehört und wert­ge­schätzt wer­den.“ Bene­fits allein rei­chen nicht aus – aber ohne Bene­fits geht es eben auch nicht.